Liebste Elise,
ich möchte Ihnen doch gern direct sagen, wie froh ich war, als ich neulich Ihre Handschrifft wieder sah, und wie von ganzem Herzen ich Ihnen Beiden Glück wünsche, daß Sie wieder so weit sind! aber, wiederholen muß ich, was ich Ihnen schon so oft sagte, daß es Ihre höchste Pflicht ist sich zu schonen, fürerst für die liebe arme Rosalie, dann für Alle, die Sie
lieb haben, zu Denen ich vor Allen mich zähle. Denken Sie doch immer daran, wie wichtig Ihre Gesundheit ist, wichtiger ja, als jedes anderen Menschen! Sie sind ja der lieben Rosalie so unersetzlich, daß Sie in diesem Bewußtsein schon Krafft zu Allem, also auch sich zu schonen (für Sie gewiß schwer) finden müssen. Gott gebe, daß Sie bald wieder ganz wohl sind, und viel hoffe ich vom nächsten Sommer, wo Sie wirklich ‘mal Ihrer Gesundheit leben können und müssen. Jetzt machen Sie mir gewiß ein unfreundliches Gesicht, doch, heraus mußte es,
ich halte es für Freundes-Pflicht, auf alle Gefahr hin, Sie immer zu mahnen.
Meine Fortsetzung gilt nun auch für Rosalie mit. Die vorige Woche ging glücklich vorüber, ich habe wieder großes Succes überall gehabt, war aber gestern so angegriffen, daß mir den ganzen Tag die Thränen in den Augen standen, und ich in der trübsten Stimmung schon seit mehreren Tagen bin. Ich habe ein Heimweh nach Deutschland, das ich gar nicht beschreiben kann, und muß doch noch bis zum 15t April aushalten! Das ist schrecklich. Gestern hatte ich aber eine große Freude, Joachim spielte
Johannes Sextett (zum ersten Male ein Werk in England v. Brahms), und es hatte einen wunderschönen Erfolg, man kann fast sagen, enthusiastisch, das Scherzo sollte wiederholt werden, die Leute hörten nicht auf zu applaudiren, aber wegen des langen letzten Satzes that es Joachim nicht. Sie können denken mit welcher Freude ich dies Johannes heute melden werde. Joachim hatte es aber auch sehr schön einstudiert und spielte es selbst, so wie er es nur kann. Ich spielte Bendemanns Lieblingssonate in Es dur [op.27 /1], und wurde (was hier enorm ist) zwei mal stürmisch gerufen. Als ich mein neues Atlaskleid anzog,
da dachte ich an Sie, liebe Elise, mehr an Rosalie bei der Sonate. Aber denken Sie, als ich mit Joachim Mozarts A dur Sonate [Nr.17] spielte ließ ich plötzlich einen Tact weg, weil mir das Denken auf einmal verging, jedoch es war nur ein Moment und natürlich merkte kein Mensch etwas davon, nur Joachim.
Ich habe mich neulich im Crystall-Pallast Concert zu sehr angestrengt. [...]
[...] Es ist die Kunst eben ganz Geschäfft hier, unter uns gesagt.
Diese Woche habe ich bis Sonnabend Ruhe, aber viel Stunden (worunter manche, die nichts eintragen) und alle Besuche zu machen, denn bis jetzt kam ich erst zu Zweien). viele Briefe zu schreiben ect: Ich sollte auch schon in 2 Soireen in Privat Häusern spielen, habe es aber abgeschlagen, trotzdem man mir 15 Pfund für den Abend bot. Ich habe es mir aber einmal vorgenom_en nicht zu thuen, ich lasse mich für alle Schätze der Welt nicht demüthigen, und es ist nun einmal hier so, daß die Leute während der Claviermusik sich laut unterhalten.
Sonnabend Popular-Concert spiele ich Beethov[en]’s C moll Var:[iationen WoO80] und mit Hrn Piatti Stücke im Volkston [op. 102] vom Robert. Dienstag d. 5ten gebe ich eine Soiree im Rughby (ein enormes College zwei ½ Stunden von hier), da bin ich Mittwoch wieder hier, am 8t reise ich nach Edinburgh von wo ich am 11t Abends zurückzukehren hoffe; den 9ten Nachmittag ist mein Recital (d.h. ein Concert wo ich nur allein spiele, und was immer sehr anstrengend ist).
Es klopft die erste Schülerin, ich muß also schließen. Georg Schmitz wird Ihnen von unserem Begegnen erzählt haben.
Grüßen Sie Alle herzlich, vor Allem aber drücke ich Ihnen und der theueren Rosalie innigst die Hand, und bin wie immer Ihre stets getreue Cl. Sch.
[links quer:] Wie geht’s Bendemanns? und Marie Euler?