23.01.2024

Briefe



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ID: 10057
Geschrieben am: Freitag 07.10.1870
 

Baden d. 7 October 1870.
Lieber Levi,
einige Worte muß ich Ihnen doch auf Ihren Brief sagen, denn, was Sie eine Mücke nennen ist jetzt noch ein Elephant, den ich erst zur Mücke machen will. Sie legen meiner Aeußerung neulich einen Sinn unter, welcher, hätte ich ihn je gedacht, ein schlimmes Zeugniß für meine Schätzung Ihrer wäre. Ich habe Ihre Handlungsweise gegen Wagner nur für eine Unterthänigkeit aus Fanatismus gehalten, und hätte bei besserer Ueberlegung eben so gut das mildere Wort „bücken“ gebrauchen können, das bezeichnender war für das, was ich sagen wollte, und weniger verletzend. Ich wußte nur, Sie hatten geschrieben und um Erlaubniß zum Dirigiren gefragt, das „Warum“ erfahre ich ja jetzt erst durch Sie; kann es Sie wundern, daß es mich empörte, Sie, den Musiker im reinsten Sinne des Wortes, Wagner so gegenüber stehend zu denken! –
Es ist mir sehr leid, daß ich Sie gekränkt, und bitte ich Sie den Ausdruck zu verzeihen der eben nichts als ein Solcher war. – Sie sehen aber, wie es geht, wenn man die Erlebnisse seiner Freunde nur aus Zeitungen oder von Anderen hört, man erfährt Manches und – die Freundschaft ohne Austausch der Gedanken und Erlebnisse verliert überdies die wohlthuende Wärme!
Marie dankt Ihnen für Ihren freundlichen Brief, sie hatte aber nicht gemeint, daß Sie soviel ihr schreiben möchten, sondern überhaupt wie es Ihnen ginge. Es thut mir leid, daß Sie moralisch und physisch unwohl den Tag beschlossen, und hoffe Sie sind jetzt ganz wohl wieder, und fühlen beide Leiden total geschwunden.
Für die Einladung zum Sonntag danke ich, aber ich fühle mich doch zu sehr genirt bei Leuten, die ich gar nicht kenne und will mir die Reise für die Aufführung der Medea versparen.
Ihre Tante ist noch nicht da. Schade, daß sie das herrliche Wetter jetzt nicht benutzt.
Dank auch, daß Sie neulich unser Beschützer waren; und nun Adieu!
Mit bestem Gruße
Ihre
Clara Schumann.

Meine Schuld sende ich per Postvorschuß.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Levi, Hermann (941)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 5
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Franz Brendel, Hermann Levi, Franz Liszt, Richard Pohl und Richard Wagner / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik, Axel Schröter und Klaus Döge / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2014
ISBN: 978-3-86846-016-2
566f.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6778-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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