Berlin d. 26 Dec. 1870.
Lieber Freund,
wie innig erfreut haben Sie mich durch Ihre lieben Zeilen, durch Ihr so wahrhaft freundschaftliches Gedenken! Sie können denken wie überrascht ich war durch Ihre liebevolle Idee mit der Gedenktafel, in innigster Rührung drückte <> ich Ihnen im Geiste die Hand – möchten Sie es gefühlt haben, wie ich Ihrer dankbar gedachte. – Die Stolle war uns Allen eine willkommene Gabe, und wird uns all die Tage vortrefflich schmecken! ich hatte wohl mehrmals daran gedacht der Kinder halber Einen zu bestellen, und konnte mich doch immer wieder nicht dazu entschließen, weil mir das Herz gar so schwer war. Gott sey Dank daß wir über diesen Weihnachtstag hinweg sind, den doch nur die Kinder mit frohem Herzen feyern konnten, wir aber, die wir unsere Söhne und die Söhne theuerer Freunde im Felde wissen, gewiß nicht. Und, hätte man Niemanden draußen und gedächte nur des großen allgemeinen Elends, das wäre ja schon hinreichend Einen tief zu beugen. Wie gnädig hat der Himmel Ihren Sohn beschützt! wenn es nicht in letzter Zeit geschah, so war mein Sohn noch nicht im Gefecht, wohl aber hat er schon manche Granate über sich hinweg sausen hören. Schön daß Ihr Sohn eine Auszeichnung erhalten – ist er Ihnen erst wieder gekehrt, dann gratuliere ich aus vollstem Herzen. Sie schreiben mit nichts von Ottilien Befinden? ich entnehme daraus, daß es ihr gut geht. Grüßen Sie sie und ihren Mann herzlich, überhaupt all Ihre Lieben. Sie glauben nicht, wie sehr es mich gefreut hat Ihnen eine kleine Freude mit meiner Musik machen zu können – wäre mir dies doch öfter vergönnt! ach, warum kann man überhaupt nicht mir Denen leben, die Einem lieb und werth sind! wie sehr Sie, lieber Freund, es mir sind, wissen Sie, und daß es allezeit so bleiben wird. Alles Gute für Sie Alle in das neue Jahr hinein.
Von ganzem Herzen
Ihre Clara Schumann.
Marie dankt herzlichst für Ihren Gruß und erwiedert Diesen ebenso
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