23.01.2024

Briefe



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ID: 10167
Geschrieben am: Montag 26.06.1871
 

Baden d. 26 Juni 1871.

Liebster Joachim,

ich möchte nicht fehlen am 28ten und dränge mich am frühen Morgen schon in den Kreis Ihrer Lieben mit meinen innigen Wünschen und tausend Grüßen an Sie Alle!1 ich hoffe Sie sind Alle wohl und und [sic] genießen recht beseligt das Zusammenseyn mit den Lieben. Ich denke mir die Kleinen recht vergnügt um den Papa herumbusseln – stelle mir Jedes einzeln vor – könnte ich einen Blick zu Ihnen hinein werfen. Wie mag es wohl sonst bei Ihnen stehen? welche Ferienpläne mögen Sie wohl haben? es sieht freilich einstweilen noch trostlos um den Sommer aus, aber ich hoffe doch auf den Juli, es muß doch ein Mal werden! wir haben vom 7ten an Logie in Moritz und werden wohl spätestens den 7ten hier abreisen, vorausgesetzt daß es Sommer bis dahin giebt. Wie wäre es herrlich kämen Sie mit der lieben Ursi auch auf einige Wochen? glauben Sie nicht, daß die hohe Gebirgsluft Ihnen auch gut thuen würde? wie sehr stärkt Diese die Nerven, wovon wir doch ein gutes Theil verbrauchen. Wie oft haben wir in letzter Zeit sehnsüchtig nach Berlin gedacht! erst an den schönen Abend bei Ihnen bei Gelegenheit von Anna Asten’s Verheirathung, dann wieder am 16ten dem Einzug! welch ein Fest war das, wie muß das erhebend für jedes deutsche Herz gewesen sein – schon beim Lesen fühlte man das Herz hoch aufschlagen. Ich redete Johannes so sehr zu dazu nach Berlin zu reisen, er konnte sich aber doch nicht entschließen, will aber diese Woche nach Stuttgart zum Einzug. Ich wäre schon gern dabei, aber allein habe ich keine Freude daran und zu Dreien ist es mit dem Unterkommen immer <>kritisch. Recht sehr betrübt bin ich über das letzte große Eisenbahnunglück, ich kann seit einigen Tagen gar nichts Anderes denken. Welch ein grausames Geschick für die armen Soldaten. Ich weiß nicht ob ich Ihnen früher mittheilte, daß Miss May hierher kommen wollte; sie ist schon seit 6 Wochen hier, und uns recht lieb geworden, leider nur hat sie sich so mit Finger-Uebungen übermüdet, trotzdem ich sie täglich warnte, daß sie nun schon seit 14 Tagen nicht spielen konnte, und sehr unglücklich war. Man kann die Schüler nicht genug warnen, so mache ich auch der kleinen Janotha täglich Vorstellungen deshalb. Ich freue mich übrigens sehr an deren Talente, wenn ich auch glaube, daß sie mehr ein Spieltalent ist, als eine wirkliche große musikalische Begabung besitzt. Können Sie mir jetzt schon sagen wenn Sie zur nächsten Saison nach London gehen? Ich lasse die liebe, verehrte Ursi bitten mir bald einige Worte zukommen zu lassen, und Einiges über sich und Sie Alle zu sagen. Sie werden doch nicht etwa an Baden vorüber fahren? Johannes hätte einige wundervolle neue Sachen Ihnen zu zeigen, so unter Anderen: „Schicksalslied von Hölderlin“ für Chor und Orchester von wunderbarer Schönheit! – Nun noch die allerherzlichsten Grüße lieber Joachim, liebe Ursi und all die lieben Kinder von Ihrer alten treuen Freundin
Clara Sch.

Meine Töchter drücken Ihnen auch von Herzen die Hand. An Julie Asten herzlichen Gruß und Dank.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1034ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6542-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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