23.01.2024

Briefe



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ID: 10208
Geschrieben am: Sonntag 01.10.1871
 

Baden d. 1 Octbr 1871.

Liebster Joachim,

Dank für Ihren lieben Brief – für Alles, was Sie mir darin sagen. Mit Ihrem Vorschlag von wegen der Theilung mit Ihrer lieben Frau befinde ich mich in Verlegenheit. Sie werden mir doch zugegeben müssen, daß der Werth und gerechte Anspruch eines Künstlers nicht nach der Quantität der vorzutragenden Stücke zu bemessen ist, ferner, daß Ihre Frau in all den Städten wo wir hingehen wohl bekannt und beliebt ist, es könnte also für eine Annahme Ihres Vorschlages mich nur das bestimmen, daß ich schwere Pflichten habe, die auf mir allein ruhen, dann, daß mir nur wenig Zeit zur Ausübung meiner Kunst noch bleibt, ich daher doppelt die Pflicht fühle, Dieselbe noch zum Besten meiner Familie zu verwerthen, und nur in diesem Sinne, und als Freundin, nehme ich Ihrer lieben Frau Anerbieten in der Weise, wie Sie es sagen, an; jedoch müßte mir gestattet sein, sollte das Dritttheil unter dem gewöhnlichen Honorar welches sie erhält, stehen, mindestens das Fehlende daran zu ergänzen, und an kleinen Orten, als z. B. Kiel wäre, zu gleichen Theilen zu gehen. – Ich freue mich herzlich auf unser Zusammen-musicieren, wären nur Sie auch dabei! – Es ist Ihnen doch recht, daß ich die Concerte immer unter unser beider Namen ankündigte? auch so in Berlin? denn nur dann dächte ich daran, dort Concert zu geben. Ich glaube Anfang Dec. oder frühestens Ende Nov. wird es sich in Berlin arrangieren lassen2 – ich will nur einige Antworten noch abwarten, dann schreibe ich darüber. Ein Wort ganz kurz (ich weiß ja wie Sie beschäfftigt sind) lassen Sie mich bald wissen wegen Simrock! ich muß ihm antworten, möchte aber erst von Ihnen wissen. Johannes, welcher noch hier ist, und sehr zu unserer Erheiterung diesen Sommer beigetragen hat, grüßt Sie. Ich glaube sein Triumphlied ist nun fertig. Ach, könnte ich nur die Rhapsodie von Ihrer Frau hören – sänge sie sie doch in Leipzig, doch das geht wohl nicht wegen des Chor’s? er brauchte ja nicht groß zu sein! Mit Grimm’s haben wir höchst gemüthliche fünf Tage hier verlebt – wie hat er die Erfrischung durch Johannes genossen! Ich bin sehr begierig Näheres über Ihre Schul-Verhältnisse zu hören – Ihre Frau wird mir erzählen. Lassen Sie nicht zu, daß sie sich übermüdet mit solchen Unternehmungen, wie das mit Hamburg u Berlin an 2 aufeinanderfolgenden Tagen – das rächt sich und wie leicht bei einem so zarten Organ wie die Stimme ist. Die Sache mit Scholz finde ich betrübend, und doppelt, als sie jetzt fort gezogen sind. Es ist mir unbegreiflich, ich vermuthe aber seine Composition’s Leidenschaft war die Schuld. Innigsten Händedruck Ihnen Beiden von
Ihrer alten
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1046f.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6544-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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