Baden-Baden d. 24 Aug. 1872.
Meine liebe Kollegin!
Sie errathen gewiß was mich heute zu Ihnen führt? Der Winter naht heran, die Engagements-Anfragen kommen auch schon, und da möchte ich denn gern so bald als es Ihnen möglich ist, mir Bestimmtes darüber zu sagen, wissen, ob Sie Lust hätten sich mir wie vorigen Winter auf eine Zeit lang anzuschließen? Sie äußerten vorigen Winter Sie würden gern ’mal mit mir in Wien concertiren. Wollen Sie das? dann würden wir die Zeit vom 15 Nov. – 15 Dec. für Wien, Pest und Graz nehmen, und wenn Sie Lust haben vorher in Berlin etwa 1 Concert geben? d. h. in dem Falle, daß es dort günstig ist ganz im Anfang November, oder Ende October. Ich möchte vor Wien ’mal in Breslau ein paar Soireen geben, was ich schon seit 15 Jahren vorhatte, wozu aber Damrosch im Interresse der Abonnementconcerte es nie kommen ließ, auch Scholz es nicht zu wünschen scheint, ich nun aber doch ’mal durchsetzen will, um eben doch ’mal Kammermusik dort spielen zu können. Könnten wir nun Ende Octbr. ein Concert in Berlin geben, so ginge ich dann nach Breslau und Mitte Nov. träfen wir dort zur Weiterreise nach Wien zusammen. Es wäre schön, sagten Sie und der liebe Jo „Ja“! Aber bitte, theilen Sie mir Ihre Ansicht so bald als möglich mit, denn in Wien muß ich jetzt schon die Tage belegen lassen. –
Leider weiß ich gar nichts von Ihnen, nicht ’mal wo Sie sind? ich muß diese Zeilen deshalb nach Berlin adressiren. Wir haben jetzt unser Julchen hier, leider aber ist sie recht leidend, da sie im December das dritte Kind erwartet. Der Aelteste, den sie mit hier hat, ist reizend! Ihr lieber Mann wollte uns ja ein paar Tage besuchen? hat er nie mehr an dies Versprechen gedacht? ach, ich fürchte.
Tausend herzliche Grüße, liebe Freundin, an Sie Alle, auch die lieben lieben Kinderchen.
Getreu Ihre
Clara Schumann.
Hier grüßt Alles schönstens.
Sagen Sie mir ja, wie es Ihnen geht?
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