Heidelberg d. 12 Nov. 1872.
Lieber Freund,
Sie haben mir zu Ihrem Geburtstage eine herzliche Freude bereitet durch Ihren so heiter lautenden Brief. Ich hatte Ihnen am Morgen einen thelegraph. Gruß geschickt, etwas in der Angst, Sie möchten sich in letzter Zeit überanstrengt haben, und war nun um so beruhigter, als mir der Nachmittag Ihren Brief brachte.
Ich habe Ihnen heute die traurige Nachricht mitzutheilen, daß unsere theuere Julie am 10ten Abends sanft verschieden ist. Sie können denken welcher Schmerz uns das ist, ich bin aber ruhig, weil ich seit den ersten Tagen, wo ich das theuere Kind in Baden wiedersah die feste Ueberzeugung hatte, daß sie nicht lange mehr leben würde. Es war mir die erste Umarmung wie ein Schlag auf das arme Herz – ich habe die Sorge keinen Augenblick verloren, daher mag wohl jetzt meine Fassung kommen, ach und wohl auch, weil ich schmerzlich den Verlust des geliebten Kindes vor drei Jahren so furchtbar durchgekämpft habe – da war mir ja schon als habe ich sie verloren.
Ich wohne hier bei Ihrer lieben, guten Tante, die uns diese ersten schlimmen Tage durch ihre Liebe und Güte treulich tragen hilft. Sie grüßt Sie sehr und hofft sehr ’mal auf eine Zeile.
Wir reisen nun morgen nach München und hoffe ich, Sie besuchen mich am Mittwoch?
13 obere Gartenstrasse bei Frau v. Pacher. Sollten Sie es können, so wäre mir lieb Sie sagten mir durch eine Zeile wann Sie mich besuchen können, damit ich Sie nicht verfehle. Da begleitet Sie wohl auch Allgeyer!
So dann mit Gott auf Wiedersehen am Mittwoch.
In alter Freundschaft
Ihre
Clara Sch.
|