23.01.2024

Briefe



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ID: 10494
Geschrieben am: Freitag 20.06.1873
 

Baden d. 20 Juni 1873.

Geehrtester Herr Henkel

aus Ihrem gestrigen Schreiben ersehe ich daß Sie erst in der 2ten Woche Juli Ihre Tochter hierherzubringen denken. Da muß ich Ihnen doch zuvor sagen, daß ich sehr wahrscheinlich den ganzen August nicht hier bin. Ich gehe vielleicht Ende Juli auf 14 Tage in die Schweiz, dann zum Bonner Fest, dann habe ich am Rhein einige Besuche versprochen, kurz, es mag leicht Ende Aug: heran kommen, ehe ich wieder hier bin. Für 3 Wochen erst anzufangen, scheint mir doch wenig. Da wäre es immer noch besser, Ihre Tochter käme im Septbr:, da bin ich doch voraussichtlich 4-5 Wochen hier. Es ist überhaupt für mich immer unmöglich vorher etwas zu bestimmen. So z. B. wäre auch ein möglicher Fall, daß ich erst nach dem Bonner Fest in die Schweiz ginge, dann bis Mitte Septbr. wegbliebe – ich kann es erst bis ohngefähr in 3 Wochen entscheiden. Wäre es nicht am Ende nützlicher für Ihre Tochter wenn Sie sie auf einen Winter nach Berlin schickten? oder auf 3-4 Monate! <> bin ich dann abwesend (ab und zu ‘mal einige Tage) so giebt es doch immer so viel Gutes zu hören ect. – Ein Instrument wäre hier schwer zu haben, oder wenigstens nur ein mittelmäßiges Pianino. Oft lassen sich meine Schülerinnen von Trau aus Carlsruhe Eines kommen, das kostet dann: per Monat 10 Gulden, Transport hin und zurück circa 7-8 Guld. Noch Eines wäre auch zu überlegen: Sie wissen ich wohne in Lichtenthal, also von der Frau Sattlermeister fast ¾ Stunde entfernt; das ist doch sehr anstrengend für Ihre Tochter in großer Hetze zwei Mal den Weg zu machen, mit einem Paquet Noten. Glauben Sie, daß die Dame Ihnen die Wohnung ect: billiger geben würde, als Andern? freilich Kost geben Andere (hier in Lichtenthal wenigstens) nicht, Ihre Tochter könnte sich aber leicht einer oder der Anderen meiner Schülerinnen anschließen. und zu Tische mit gehen. Es giebt eben <> Allerlei zu bedenken und besprechen, was mündlich leichter wäre. – Ich wüßte z. B. eine Wohnung für Ihre Tochter von jetzt ab bis Ende Juli in unserer Nähe, bei einem Schulmeister (ein Zimmer mit einem Bett) per Woche mit Bedienung 7 Gulden, Frühstück mit 1 Ei – 18-20 + Abendbrod 20-30 +. Ich gebe Ihnen nur die Preise an, damit Sie sie mit denen Ihrer Bekannten vergleichen können.
Weiterem entgegensehend mit herzlichem Gruße Ihrer
Clara Schumann.

Die Wahl der Stücke möchte ich doch Ihnen überlassen, unsere Richtung ist ja Dieselbe, Beethov. Bach das Fundament! ich denke wenn Ihre Tochter wenig Schumann gespielt, so die einfacheren Sachen, Kinderscenen, Arabeske, Fantasiestücke fürerst zu nehmen. Von Chopin die kleinen Walzer, einige Nocturne’s. Etüden von Clementi oder Czerny (Schule des Virtuosen) halten Sie nicht Czerny doch für den Besten? Entschuldigen Sie die Flucht meiner Zeilen, ich bin aber viel beschäfftigt. –

Herrn
Heinrich Henkel
in
Frankfurt a/Main
19, Humboldtstraße.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Henkel, Heinrich (2405)
  Empfangsort: Frankfurt a.M.
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 16
Robert und Clara Schumanns mit Bernhard Scholz und anderen Korrespondenten in Frankfurt am Main / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller und Anselm Eber / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-027-8
590f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.ep. Schumann, K. 178
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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