23.01.2024

Briefe



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ID: 10508
Geschrieben am: Dienstag 05.05.1863
 

Baden d. 5 Mai 1863.
Lieber Johannes,
ich habe Deinen letzten Brief aus Wien erhalten, da aber nichts darauf zu antworten war, geschwiegen. Doch jetzt, zu Deinem Geburtstag, wo ich ja nie gefehlt, sollen auch diesmal meine innigen Wünsche zu Dir eilen. Das Schönste, Beglückendste möge Dir werden, und Dein Genius sich immer höher und höher schwingen! mit diesen Wünschen werde ich Dich immer und immer treu begleiten. – Ich denke, Du wirst jetzt bei Deinen Eltern sein, denen ich die Freude recht von Herzen gönne.
|2| Ich bin gestern endlich hier eingerückt, die Kinder waren schon 14 Tage früher hier, um schon etwas einzurichten, während ich noch in Trier, Luxemburg und Saarbrücken zu Concerten aufgefordert war. Ich habe jetzt noch wohl 2–3 Wochen furchtbar zu thuen bis ’mal Alles an Ort und Stelle, aber dann wird es auch reizend gemüthlich bei uns. Die Natur prangt im vollsten Glanze, und oft stehe ich nur so an der Balkonthür und blicke entzückt hinaus auf das herrliche Grün, dahinter die dunklen Tannen! Freilich hat man mit so ’nem Hause, ist’s auch noch so klein, Sorgen, die man früher nicht gekannt – es hat eben Alles seine Schattenseiten <so> hier sind aber die Lichtseiten bei |3| weitem überwiegend.
Die Kinder sind sehr froh hier, und, bis auf Julie, die noch in Nizza und mir durch den Husten große Sorge macht, Alle wohl. Ferdinand ist mit zwei Mal Censur Nro 1 auf Terzia gekommen, und bleibt <dort>┌in Berlin┐, da es so sehr gut mit ihm geht; Ludwig hat sich auch fleißig heraus gemacht, und entwickelt sich zu meiner Freude ganz anders, als Alle, außer mir, geglaubt. Ich dachte es immer, daß der Junge mehr in sich habe, als es schien.
Ich denke den Sommer fleißig zu studieren, die Mädchen wieder ein gutes Stück vorwärts zu bringen, und an sonstiger Anregung wird es bei dem Zusammenfluß so vieler Menschen wie hier in Baden auch nicht fehlen. So sehe ich denn diesen Sommer mit mehr |4| Ruhe entgegen, als die vergangenen Sommer.
Neulich habe ich große Freude gehabt in Hannover – Joachim dirigirte den Orpheus, den seine Braut wunderschön sang. Ich war dahin gereist, um Ihn noch ’mal zu sehen vor seiner Verheirathung und seine Braut etwas näher kennen zu lernen. Du wirst nun dieser Zeit wohl auch dort sein.
Bist Du fleißig gewesen in den letzten Monaten? von Frl. v. Glasersfeld, auch Julie Asten hörte ich zu meiner Freude wie große Anerkennung Du in Wien gefunden. Wirst Du jetzt in Hamburg bleiben, wieder wohl in Hamm? So sey denn recht froh und mit den Deinen herzlich gegrüßt von
Deiner
Clara.
◊1Adresse: Baden-Baden, Lichtenthal Nro 14.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Blankenese bei Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
864ff.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 11018-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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