23.01.2024

Briefe



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ID: 10547
Geschrieben am: Samstag 30.08.1873
 

Baden d. 30 Aug 1873.
Meine liebe gute Betty,
wie viel habe ich all die Zeit an Sie gedacht, und in Bonn, wie Sie herbeigewünscht. Ich machte mir Vorwürfe, daß ich Ihnen nicht mehr zugeredet hatte, denn, hätten Sie auch nicht Alles genießen können, so doch Vieles das Ihnen gewiß |2| unvergeßlich gewesen wäre. Sie haben von Marie schon gehört, wie erhebend und beglückend für mich diese Feyer war. Es gelang mir die tiefe Wehmuth soweit zu bekämpfen, daß sie mich in dem Vollgenusse der herrlichen Kunstgenüsse nicht störte, zurückgekehrt hierher fühle ich sie aber oft hervorbrechen und mich recht angegriffen, wo denn auch gleich die trüben Gedanken kommen. Ich meine jetzt immer |3| ich müsse mit Diesem meine Künstlerlaufbahn beschlossen haben –
Erhebenderes und Beglückenderes kann mir nichts mehr kommen. Fast erdrückte mich die Liebe, von allen Seiten die ich für ihn ärndtete, was freilich auch wieder mich unsäglich traurig machte. Die ganze Zeit her war es in meinem Inneren ein Auf und Abwogen von Freude und Trauer. Wie glücklich bin ich, daß meine Kinder dies erlebt haben – es muß diese Erinnerung |4| sie ja durchs Leben geleiten in immer mildem Glanze.
Die Aufführung in München ist noch nicht festgesetzt – vor October ist sie aber sicherlich nicht. Glauben Sie daß Sie noch irgendwo im bayerischen Hochgebirge sein werden? wüßte ich das, dann käme ich nach auf 14 Tage gegen Ende Septbr. Ich möchte so gern noch etwas in gute Luft wüßte ich Jemand zu finden, der mir lieb ist, also, sagen |5| Sie mir, ob Aussicht dazu ist? Sie wissen ja, daß Sie mir so recht zu Denen gehören die ich von ganzem Herzen liebe und hochschätze! –
Für Ihren lieben Brief neulich6 Dank, und vor allem daß Sie es sich bei uns so lange gefallen ließen, wenn auch mir nicht lang genug, ebensowenig Marien. Eugenie bedauert noch oft, |6| daß sie nicht hier war. –
Brahms hat mir schöne neue Sachen gebracht – Marie schrieb es Ihnen wohl.
Nehmen Sie meine herzlichsten Grüße, liebe theuere Betty, sagen Sie bald ein Wort
Ihrer
getreu ergb
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Oser, Betty (1152)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
769ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6837-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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