Kiel d. 30ten Jan 75
Hotel Baasch.
Lieber Freund,
wenn man den Teufel beschwört, so kommt er, damit meine ich aber nicht Sie, – Sie haben mir ja so lieb u. freundlich geschrieben – sondern die Geschäftssache, die dazu dienen sollte Ihnen wieder eine Nachricht zu geben. Dieser bedürfte es nun nicht, aber heute veranlaßt sie mich doch Ihnen eher zu schreiben, als es sonst wohl geschehen wäre. Nun will ich aber doch erst danken für Ihren Brief, der mir eine herzliche Freude gemacht. Ich denke ich gebe Sie doch noch nicht ganz auf.
Sie sehen, daß Frl. Mayer nicht Gelegenheit hatte, mir all das Freundliche, was Sie ihr aufgetragen, auszurichten, da ich mich seit 5 Tagen hier zu einer Cur für meine Arme hier bei Dr. Eßmarch befinde, der wunderbare Curen gemacht und mir versichert, daß er mich herstellen werde.
Ich behalte mir die Beantwortung Ihres Briefes für später vor, heute möchte ich eine Geschäftssache mit Ihnen besprechen. – Ich erhielt nämlich kurz nach Ihrem Brief von der Münchener Intendanz eine Quittung zur Unterschrift über den Empfang der Tantième für Manfred,(nebenbeigesagt, warum soll ich eine notarielle Bescheinigung für mein Recht als Erbin, was mir große Umstände macht beibringen? man hat solches ja nicht bei Gelegenheit der Genoveva verlangt? – Das muß von allen meinen Kindern unterschrieben sein, sogar von den Kindeskindern in Italien) – ich kann Dieselbe jetzt nicht zurückschicken, weil sie auch
den Todtenschein meines Mannes verlangen, den ich mir auch erst verschaffen muß. Nun verstehe ich nicht recht: Sie schrieben mir doch, ich solle nicht mehr als 3% ein für Allemal f. Manfred verlangen u. senden mir von München aus 7%? – Bitte erklären Sie mir dies. – Jetzt kommt aber die Hauptsache: denken Sie, daß Herbeck, als ich ihn indirect (d. Brahms) auf meine Anschrift aufmerksam machen ließ, zu Diesem äußerte, ich habe gar kein Anrecht darauf, und Dieses, wie allerlei Quängeleien mit der Genoveva in Leipzig haben mich nun bewogen der Autorengenossenschaft beizutreten. Diese werden wissen ob ich ein Anrecht habe oder nicht. Von Ihnen möchte ich wissen ob Sie mir wie die Sache steht, rathen die Tantiemen von München anzunehmen, oder zu warten bis ich sicher weiß, daß ich im Recht bin? Annehmen u. nachher wieder hergeben ist nicht angenehm, unrechtmäßig behalten erst recht nicht. Das bleibt aber ganz unter uns, sowohl was ich ihnen hier schreibe, als auch Ihre Antwort an mich. Antworten Sie mir, bitte, ja recht bald hierauf unter obiger Adresse. Brahms geht es sehr gut, er hat schöne Aufführungen gehabt. Die zwei Lieder von Felix schickte ich nicht, weil ich wußte, daß sie gedruckt werden. Sie sind vor einigen Monaten erschienen und stehen in Opus 63. „Junge Lieder v. F. S.“ – Von Hanslick über Brahms Lieder habe ich nichts gelesen; – neulich aber sehr schön über den Manfred, und kann ich es wirklich nicht recht begreifen, wenn er über Brahm’s Lieder so geschrieben, wie Sie mir sagen – wo stand es?
Ueber Ihre Selbstkritik sprechen wir einmal mündlich, ich hoffe aber das „künstlerische Plus“ bestehe nicht in Wagner – dann freilich wäre ja das menschliche Minus nur zu konstatiren. Ich hoffe also Beides nicht.
Ueber die Stockhausenschen Aufführungen kann ich Ihnen leider nichts anderes sagen, als daß Sie mittelmäßig waren; dabei muß man aber allerdings in Betracht ziehen, daß er mit einem Orchester III Ranges zu thun hat. – Eine Hauptsache freilich, Ihnen ganz im Vertrauen gesagt, es fehlt ihm doch die rechte Musikantenpraxis, die Uebersicht, die nur Einer gewinnt, der „von der Pieke auf dient“. – Bitte sprechen Sie darüber zu Niemand, und nun eile ich zum Schluß, indem ich u. mein Sekretair (Marie) Sie herzlich grüßen.
In alter treuer Gesinnung
Ihre
Clara Schumann.
P.S. Antworten Sie, bitte hierher, da ich wohl einige Wochen hier bleiben werde.
Ich soll Sie auch grüßen von Dr. Ladenburg hier, der uns öfter besucht. –
N. B. Bitte sagen Sie doch gelegentlich Allgeyer, daß ich mich über seinen Brief herzlich gefreut habe, daß ich aber leider nicht die richtigen Photographien erhielt. Man schrieb mir, daß die Platte nicht mehr existire.