Berlin d. 30 Dec. 1875.
Lieber Levi,
herzlichsten Dank für Ihr schönes Weihnachtsgeschenk, das mich aber durch seinen Umfang etwas erschreckt hat. Als Sie mir von einer „Einleitung“ schrieben konnte ich doch nicht denken, daß das ein so großes Werk ist, sonst hätte ich wahrlich nicht so unbefangen danach gefragt. Nun,ich habe es nun, und kann doch nicht darum zanken. Ich freue mich es zu lesen, sobald ich nur etwas zur Ruhe komme. Nehmen Sie nur heute noch meine wärmsten Wünsche für das neue Jahr! schenke es Ihnen Ihre Braut in voller Gesundheit, aber, das zu denken wäre ja wohl Kühnheit. Ich dachte all die Zeit oft an Sie – und am Weihnachtsabend sprachen wir mit wahrer Theilnahme von Ihnen! Sie fühlten gewiß tief das Traurige, Ihre Braut hoffentlich nicht – solche Kranken leben ja immer der Hoffnung. Haben Sie ’mal Zeit so sagen Sie mir etwas über Ihr Zusammenseyn! Eben hatte ich Besuch von Herrn Meyer, der Sie öfter gesehen und manches von Ihnen und auch über München sprach.
Daß Johannes bald eine Kunstreise antritt, wissen Sie wohl – hoffentlich von ihm selbst.
Wir haben neulich bei mir seine neuen, wunderbar schönen Liebeslieder aufgeführt – das war uns ein wahres Musikfest.
Und nun, herzliches Lebewohl! Grüße auch von den Kindern –
Getreu
Ihre
Clara Schumann.
Bei Joachims geht es nicht gut, Frau Joachim hat ein nervöses Halsleiden, und muß eine Weile ruhen mit Singen – sie thut mir schrecklich leid.
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