23.01.2024

Briefe



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ID: 11016
Geschrieben am: Samstag 15.06.1878
 

Düsseldorf d. 15 Juni 1878.
Lieber Avé,
es hielt schwer bis ich zur Beantwortung Ihres Briefes komme – es ist ja noch lange hin, und so hoffe ich Ihnen durch Verzögerung keine Unannehmlichkeit <zu> bereitet zu haben. Fürerst muß ich mein Herz von dem |2| Drucke befreien, den es Ihnen gegenüber empfindet. Sie haben mich sehr verletzt in dem, was Sie mir wegen Mozart sagen, und möchte ich fast glauben Sie hätten ganz und gar meinen Standpunct als Künstlerin vergessen. Ich soll die Schönheit der Mozart’schen Concerte nicht kennen? ich, die ich seit 20 Jahren fast die Einzige bin, die Mozart’sche |3| Concerte noch gespielt! (Viele Male früher das D moll, auch öfter das C moll) ich, die ich schwärme für das A dur und G dur Concert!!! Nein, lieber Avé, das mußten Sie mir nicht sagen! ich sollte mich schämen ein Mozart’sches Concert zu spielen! Sie hätten mir wohl kaum etwas ehrenrührigeres sagen können. Nun aber genug, und zur Sache! – |4| Sie erwähnen in Ihrem Programm nicht Mendelssohn, könnte ich daher nicht ein Mendelssohnsches Concert spielen? Versprochen hatte ich Ihnen ja nicht das Mozart’sche, wir hatten nur beiläufig darüber gesprochen, und ich ohne Ueberlegung geäußert, man könne wohl mit einem Solchen Mozart vertreten. Diese Anfrage thue ich nun aber fürerst unter uns, gehen |5| Sie noch nicht damit an’s Comitee. Die Hauptsache sagte ich Ihnen noch nicht, den Grund meiner Weigerung. Die <Spiel>Behandlungsweise des Claviers von Mozart ist nicht unserer Zeit gemäß und, leider, das Publikum nicht mehr im Stande ein solches Concert zu würdigen. An einem Festtage wie der Ihrige spielt man aber doch gern Etwas wofür auch das Publikum empfänglich |6| ist; ob es Erinnerungsfest oder Musikfest heißt ist ja gleich, es ist eben ein Fest. Als Beweis für meinen Grund kann ich Ihnen anführen, das [sic] Joachim hier Pfingsten das Viotti’sche für mich (1ten u 2ten Satz) reizende Concert, himmlisch spielte, die Leute dann aber sagten, es sey schade daß er ein solches Kinderconcert gespielt habe, und, das waren Musikverständige und – Musiker. Verstehen |7| Sie mich aber nicht falsch, es würde mich so etwas nicht abhalten in einem Ihrer gewöhnl Concerte Mozart zu spielen, ich spreche hier immer nur von dieser Ausnams-Gelegenheit. Lassen Sie mir mit meiner Entscheidung noch 8 Tage Zeit, und sagen Sie mir indeß nur was Sie von dem Mendelss. halten? haben Sie schon ein Werk von Letzterem im Programm?
|8| Meine Reise nach Kiel habe ich einstweilen aufgeben müssen – die Hoffnung, Sie zu sprechen war ein Hauptgrund, daß ich so lange nicht schrieb. Meine Adresse ist bis 21ten hier, <>7, Jägerhofstrasse bei Bendemann, dann <bei> Lichtenthal bei Baden-Baden.
Und nun noch freundlichen Gruß Ihnen Allen von
Ihrer
Clara Schumann.














  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Avé-Lallemant, Theodor (121)
  Empfangsort: Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 24
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Norddeutschland / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Thomas Synofzik, Ute Scholz und Arend Christiaan Clement / Dohr / Erschienen: 2025
ISBN: 978-3-86846-034-6
242ff.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6272-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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