23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 11157
Geschrieben am: Mittwoch 16.04.1879
 

Frkfurt d. 16 April 1879.
Meine liebe Frau Berna,
heute Morgen ist mein letzter Besuch fort, und mein erstes Ihren lieben Brief zu beantworten, der mich herzlich erfreut hat. Justizrath Geiger hatte mir gerade am Morgen von Ihnen erzählt, und ich war etwas traurig, daß ich von Ihnen selbst noch nichts gehört hatte, als Abends Ihr Brief kam. Wie gut ist es doch, daß Sie Marmorito gesprochen haben, ich denke Sie haben ihm doch besser zugeredet uns zu besuchen, als wir schrifftlich es könnten. Sehr erfreut bin ich vom kleinen Robert ’mal eine Photographie zu erhalten, ich kann mir so gar keine Vorstellung von ihm machen. Daß er deutsch versteht freut mich recht, so kann ich doch mit ihm sprechen, wenn ich ihn ’mal sehe! –
Daß es Ihnen herrlich geht, ließ sich denken! wie muß es jetzt in Florenz, dort sind Sie nun wohl, sein! Dank für das reizende Bouquet, lieber habe ich aber doch Veilchen aus Büdesheim, da weiß ich Sie dann doch dort! nun, hoffentlich kehren Sie uns bald wieder zurück, darauf freuen wir uns herzlich.
Wir haben sehr troubbulöse Zeit gehabt, ein Zusammentreffen von Zufälligkeiten führte uns für einige Tage fünf Gäste in’s Haus; war uns auch Jeder von ihnen lieb, so war es uns doch zu viel auf einmal, wir waren so gar nicht in der Stimmung. Dietrich’s Anwesenheit (er führte hier seinen Robin Hood auf) veranlaßte uns ’mal Abends einige Leute zu sehen, ihm zu Ehren, es wurde uns aber schwer, und überhaupt bin ich so tief traurig, daß ich mit größter Mühe mich herausreiße. Es ist, als käme jetzt die Schwäche bei mir nach. Brahms war fast 3 Wochen hier, dann kamen Antonie Kufferath, Dietrichs zwei Kinder (die Tochter besonders reizend) dann Herr u. Frau Volkland aus Basel, die heute abgereist sind. Wir haben sie Alle so gern bei uns gesehen, jedoch, wie gesagt, es war uns Ruhe jetzt nöthig, physisch wie moralisch.
Haben Sie denn Ihre Freundin G. in Florenz getroffen?
Herr J. Geiger war äußerst liebenswürdig gegen mich – das habe ich Ihnen ganz besonders zu danken. Er hat mir manchen guten Rath gegeben, will sich auch für unser Badener Häuschen bemühen. Hier haben wir nun vom 1 Mai ab unsere 2t Etage vermiethet, und zwar an eine einzelne Dame aus guter Familie, die sich aber fast Alles selbst macht, gar kein Mädchen hat, was uns nur lieb sein kann. Wir sind sehr froh darüber. Viel Sorge hat aber Eugenie mit den Behrendsens, deren Misere entsetzlich ist, und wo sie so gern hülfe und es doch nicht kann. Nur im Kleinen können wir hier und da erleichtern, doch, das ist gering. Nähme dies nur Eugenie nicht so sehr mit, so daß sie außerordentlich reitzbar ist, und dies für mich entsetzlich schwer wird.
Eine Frl. B. sucht eine Stellung, Kinder zu überwachen, das hat Eugenie annoncirt, aber bis jetzt ohne Erfolg, wird jetzt auch schwer halten zu finden.
Von Elise hatte ich Brief mit Nachricht über das Geschäfft, die mich beunruhigt haben – sie schrieben Ihnen sicher auch davon, oder, Hans erzählte es Ihnen! nun rückt ihr Uebersiedeln nach Europa erst recht fern, und dieser Gedanke betrübt mich unsäglich.
Ich komme in Ihr ideales Leben recht zur Unzeit mit all meinen Klagen – haben Sie Nachsicht, liebe Frau Berna! grüßen Sie Betty herzlich von uns, und lassen Sie uns bald ’mal hören, wenn Sie wiederkehren.
Freundschaftlich
ergeben
Ihre
Clara Schumann.

Marie u. Eugenie grüßen sehr.
Meine Adresse ist halb franz. halb deutsch, lachen Sie mich nicht aus.
Haben Sie Nachsicht mit diesem etwas chaotischen Briefe, ich fühle mich unwohl, und wollte doch so gern Ihnen schreiben.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Oriola, Marie von, geb. Christ, verh. Berna (2699)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 12
Briefwechsel Clara Schumanns mit Landgräfin Anna von Hessen, Marie von Oriola und anderen Angehörigen deutscher Adelshäuser / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-023-0
491-494

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh, s: 67.6395
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.