Frankfurt a/M d. 5 März 1891.
Lieber Levi,
Sie können wohl denken, daß Ihr lieber Brief mich herzlich erfreut hat, und längst hätte ich wohl dafür gedankt, hätte ich Ihnen nicht zugleich in Bezug auf meinen lieben Schüler Borwick schreiben wollen, der in Wien neulich gespielt hat, und den ich Ihnen so gern geschickt hätte; leider hatte er sich die Sache so ungeschickt eingerichtet, daß er nach dem Engagement bei Richter in Wien gleich für Dreie in London, dorthin zurück reisen musste. Er kam über hier, und sagte mir, er wolle für längere Zeit im November nach Wien, und nun kommt meine erneute Bitte an Sie ihn doch ’mal im Odeon-Concert spielen zu lassen vielleicht in ersten Concert?. In Wien hat er mit Brahms’ erstem Concert großen Beifall gehabt, und, was mich zumeist gefreut hat, war Brahms selbst so erfreut, daß er mir, noch im Concerte selbst, eine Postcarte schrieb, in welcher er sagt, Borwick habe mit schönster Freiheit, Energie, Leidenschaft gespielt, und wäre ihm (Brahms) nichts zu wünschen übrig geblieben. Eben bemerke ich, daß ich mit französischen Buchstaben geschrieben (ich hatte vorher einem Ausländer geschrieben, und fuhr unwillkührlich in denselben Lettern fort) verzeihen Sie es! ich komme mir selbst ganz fremd vor! –
Welche Freude haben Sie an Ihrem lieben verehrten Vater – das ist ein wunderbarer Mann in seiner Frische!
Zu meiner großen Freude hörte ich von der armen Herzogenberg, die schon an 6 Wochen immer wegen Herz-Beschwerden liegen muß, daß unser verehrter Freund Hildebrandt nun wirklich den schönen Auftrag in München erhalten hat. Wie mich das freut, kann ich gar nicht sagen. Sie haben ihn jetzt wohl bei sich gesehen – ist er noch da, so sagen Sie ihm meine wärmsten Grüße. Und nun, lieber Freund, leben Sie wohl und gesund vor allem.
Ihre alte, getreue Clara Schumann.
An Fiedlers schönste Grüße. Ist Hildebrandts Entwurf nicht photographirt? wie gern sähe ich ihn.
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