Meine theure Eugenie,
eigentlich müßtest Du diesen Brief, d.h. einen Anderen, den ich schon geschrieben hatte, bereits haben, aber, ich habe ihn nicht abeschickt, es wollte mir nicht in den Sinn Dir vorzuklagen, überhaupt sollte man lernen, nie Jemandem zu klagen, es ist Niemandem angenehm, und nützt Einem selbst auch nicht. Ich hatte ein paar schlimme Tage, Mariens Bein war wieder schlimmer geworden, heute gehts aber viel besser, dann, kam ein Brief von Brahms, der mir schreibt, er werde mit Herzogenbergs hierher kommen. Die schöne Hoffnung, die es mir war, mit H[erzogenberg]s hier [nachträglich eingefügte Zeile:] recht ungestört zusammen zu sein, schwindet mit insofern, als, wie Du ja weißt, Frau v. H[erzogenberg], wenn sie mit Brahms zusammen ist, ungenießbar für andere wird; wozu kommen sie dann hierher? andererseits ist auch Brahms stets unliebenswürdig gegen mich, wenn Andere dabei sind, die ihn interessieren, das mußte ich ja leider vor'm Jahr bitter erfahren, und da waren es doch nur J[ochaim]s! Ich wußte gar nicht was thun; Marie meinte, ich sollte es laufen lassen, wie es komme, ich hätte aber B[rahms] lieber gebeten nicht hierher zu kommen während meiner Kur. Es ist auch hier nichts für ihn, das Menschengewühl etc. Wir haben übrigens von H[erzogenbergs] noch nichts hier gehört, nur von Brahms, daß er sie in Salzburg trifft. Nun, dort könnte ich freilich [gestr.: auch] nicht mit Ihnen, zusammen sein, denn zu Frau Joach[im] kann ich nicht gehen. Joach[im] schrieb mir neulich, ich würde doch gewiß nicht durch Salzburg gehen, ohne daß wiruns sähen? was soll ich da nun thun? ich dachte doch, ich wolle ihm schreiben, ich könnte nicht zu seiner Frau kommen etc: Marie mußte leider gleich eine große Pause in den Bädern machen, hat nur zwei genommen, das Zweite mit Douche, die ihr ordentliche Erleichterung im Knie brachten. Morgen wird sie wieder anfangen, das arme Kind! wie ist es mir immer so traurig, wenn ich sie im Rollstuhl sehen muß, und ich Alte, gehe nebenher; doch dann habe ich immer den Trost, daß es ja nur vorübergehend ist, und [wie] viel schlimmer es wäre, hätte sie ein inneres Leiden. Für Deinen lieben Brief neulich, sowie den heutigen an Marie, Dank'! Wir freuen uns, daß es Euch gut geht, und hoffentlich bleibt Ihr auf vernünftigen Wegen. Mir sagte [gestr.: übrigens; über der Zeile eingefügt:] aber Frl. Gomperz, welche ich neulich kennen lernte (sie gehe immer mit Frau Moritz Hauptmann), daß das Klima i.d. Prein sehr rauh sey, eben so, oder wenig unterschieden wie hier. Wäre dies nun wirklich der Fall, so fände ich es doch besser, ihr ginget anderswohin, etwas tiefer?- Wir hatten herrliche Tage jetzt, aber heute, nach einem furchtbaren Gewitter gestern, scheint es ändern zu wollen, das wäre uns schrecklich, denn, da wir keinen Menschen hier kennen, wüßten wir nicht, wie wir solche Tage im Zimmer herumbringen sollen, umsoweniger, als wir nicht 'mal laufen können. Tage, wo es kalt oder regnerisch ist, ist Maire gänzlich aufs Zimmer angewiesen, das noch obendrein so finster ist, daß man nur am Fenster sitzend arbeiten kann. Du siehst aus Allem, daß wir [unleserlich Streichung über der Zeile] Gott sey Dank, nur mit kleinen Unannehmlichkeiten kämpfen, [folgende Zeile nachträglich eingefügt:] die aber nicht nöthig wären. Wir genießen aber auch Einiges, die schöne Natur und Luft, und Erdbeeren, so herrlche, wie wir sie unten im Thale kaum bekommen; außerdem esse ich fast täglich Gurkensallat, zu Mariens Entsetzen sogar den Essig mit!!! aber anständig, mit dem Löffel. Vom Onkel htte ih Brief, er schreibt sehr entzückt von Felix Dichtung, gleich zu Anfang, das Spinnerlied. Ich bitte ich nun, da die Kopie fertig ist, es mir hierher zu schicken, ich möchte es lesen, und auch Brahms zeigen. Denk Dir, wie sonderbar. Neulih bekommen ich von Frau Ladenburg aus Kiel Brief, worin sie mich bittet bei ihrem kleinen Erich den sie "Robert" taufen lassen wollen Pathe zu sein. Der Junge ist 10 Monate alt, und hieß die 10 Monate Erich! ich habe natürlich angenommen, aber curios ist es doch, nicht wahr? IHr werdet mit dem hund doch vorsichtig sein, bitte, bitte, noch neulich hörte ich von einer Bekannten, deren Kind von solch einem großen Hunde gebissen wurde, besonders wenn ihr mit ihm spielt, nehmt Euch in Acht. Hierbei folgt ein Brief, wohl von Frau Gomperz. Frl. Gomperz ist recht angenehm, soweit ich sie kennen gelernt. Marie hatte gestern Brief von Betty - es stand wenig darin, sie freut sich, daß es Marie schon wieder besser geht, schreibt daß sie am 3ten Aug: zurückreisen und fragt wegen einem Tenoristen.! - Elise schrieb mir sehr nett - sie denken doch endlich im Winter zu kommen; ich will ihr schreiben, daß sie sich doch einrichtet Weihnachten bei uns zu sein, das wäre doch recht erfreulich für uns.
Nun leb wohl, meine theure Eugenie. Sey in treuester Liebe geküßt von Deiner Klara. Marie sendet Herzlichstes, wir beide Grüße an Fillu.