Obersalzberg bei Berchtesgaden Pension Meyer
d. 17ten Aug. 1883
Lieber Levi,
mein Bruder Alwin Wieck bringt Ihnen diese Zeilen. Er will ein paar Tage in München bleiben – Vielleicht können Sie ihn da einen oder anderen Abend einen guten nahen Platz im Theater
(d. h. nahe im Residenztheater, denn nur im Schauspiel muß er nahe sitzen) verschaffen?
Für Ihre lieben Zeilen schönsten Dank. Bald sehe ich Sie – wir wollen vielleicht 8 Tage in München bleiben, ich möchte so gern ’mal wieder eine schöne Oper hören, und ein gutes Schauspiel, etwa ein Shaekspear’sches Stück, ect. sehen. Ich glaube wir kommen am 26 oder 27ten, u. gehen in’s Marienbad, wohin wir aber selbst schreiben – Marie hat neulich schon mit der Wirthin über die Zimmer, die wir wünschen, gesprochen, und mit ihr verabredet, daß wir 8 Tage vor unserer Ankunft schreiben sollen.
Man weiß nicht, was man thuen soll bei dem entsetzlichen Wetter, – je länger man es aushält hier oben, je mehr hofft man noch immer auf ein paar schöne Tage! –
Aber, herrlich ist es hier, eine der schönsten Höhen, die ich kenne. Sie werden Franks sehen, die Ihnen davon erzählen werden – sie haben sich hier ein Häuschen gekauft, d. h. sie wollten es – jetzt ist es wohl abgeschlossen.
So denn auf baldiges Wiedersehen und gemüthliches „Schlendern“ in München.
Herzlich
Ihre
altergeb.
Clara Schumann.
P.S. Könnten Sie mir die Partitur des Hochzeitsmarsches v. Mendelssohn (Sommernachtstraum) verschaffen, und hierher (Adresse oben) schicken lassen? aber nur, wenn man ihn einzeln haben kann (d. h. die Partitur), nicht den ganzen Sommernachtstraum, denn das wäre mir ein zu großes Paquet. Mündlich sage ich Ihnen, wozu ich es gewünscht – hier habe ich die Ruhe zu genauer Durchsicht ect.
Verzeihung f meine flüchtigen Zeilen!
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