Frkf. a/M d. 30 Juni 1880.
Liebster Joachim
eine starke Erkältung hatte die ganze letzte Woche meinen Kopf so, „umfangen“ kann ich sagen, daß mir sogar das Denken schwer wurde, nehmen Sie daher meine verspäteten Glückwünsche nicht weniger freundlich auf, sind sie doch darum nicht weniger innig, als sie es stets waren. Ich fürchte Sie haben den 28ten einsam zugebracht insofern Sie Ihre Familie nicht bei sich hatten – alle Freunde, seyen sie auch noch so theilnehmend, können doch die Familie nicht ersetzen! – Vielleicht waren Sie an dem Tage in Schulpforta? Könnte ich alle Wünsche für Sie, lieber Freund, aussprechen, das Herz ist mir voll genug davon, wenn ich an Sie denke, u. das ist öfter, als Sie glauben, wenngleich augenblicklich der Schein gegen mich ist! Wir rüsten nun zur Reise, erst München (Muster-Vorstellungen) dann Ober-Ammergau, dann Süd-Tyrol, Schluderbach, Ende Aug wieder langsam von den Bergen herab! Sie sollten sich eine Nervenstärkung in hoher Luft auch ’mal gönnen, für Künstler giebt es nichts besseres als Bergluft. Kommen Sie doch auch Anfang August dorthin, und gehen Ende Aug. nach Salzburg, dann haben Sie noch immer einen Monat dort! – Doch, das bleiben wohl nur schöne Wünsche! Wir drücken Ihnen also treu die Hand, und gedenken Ihrer stets in getreuester Gesinnung.
Clara Schumann.
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