Brüssel d. 9ten April 1882.
Liebster Joachim,
gern hätte ich am Freitag noch mit Ihnen gesprochen, aber es waren immer Leute da, und so ging es nicht. Es läßt mir keine Ruhe Ihnen zu sagen, daß ich, nach vielem Hin und her Denken über Ihre Töchter doch zu der Ueberzeugung gekommen bin, daß Sie <> besser thäten, sie nicht in England zu lassen. Mir scheint es jetzt, wo die Mädchen fast erwachsen sind, und mit der Mutter das letzte Jahr so viel zusammen gelebt, ein Gewaltstreich, den die Mutter, vor allem aber auch die Kinder, Ihnen nie verzeihen – ich glaube, Sie entfremden sich die Kinder dadurch ganz und gar. Ich würde rathen, daß sie [sic] sie einem deutschen Erziehungsinstitut übergäben, wo sowohl Sie, als Ihre Frau die Kinder doch öfter sehen können. Ganz und gar können Sie sie der Mutter doch nicht entziehen; ich würde aber ein Institut wählen, wo sie streng beaufsichtigt wären und einige Jahre unausgesetzten methodischen Unterricht genössen, wie z. B. das Louisenstift in Berlin, was ganz ausgezeichnet sein soll, wo ein guter Geist herrscht, aber ganz strenge Statuten. Z. B. glaube ich dürfen die Zöglinge keine Briefe empfangen, die die Vorsteherin nicht liest, auch dürfen die Angehörigen die Kinder nur zu genau vorgeschriebener Zeit besuchen ect. ect. Oder, wollten Sie es nicht in Berlin, so ließen sich anderswo auch gewiß Institute finden. Ich <>bin gern bereit Ihnen im Suchen behilflich zu sein, wie ja auch alle Ihre Freunde in Berlin Ihnen gewiß dabei helfen würden. Ihre Kinder würden in dem Falle ihren jetzigen Aufenthalt in England nur als einen Besuch zu betrachten haben, und das würde ihnen schließlich nur eine angenehme Erinnerung bleiben. Ich schreibe in großer Eile, lieber Joachim. Ich weiß, Sie betrachten diese Zeilen nicht als eine unberufene Einmischung sondern rein als den Ausdruck der freundschaftlichen Theilnahme Ihrer
alt ergebenen
Clara Schumann.
Viele Grüße an die lieben Ihrigen.
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