Frankf. a/m d. 7 Juni 1882
Geehrter Herr Kalbeck
ich habe mich seit längerer Zeit schon mit Bedenken wegen unseres Vorhabens getragen, und Ihr letztes Schreiben läßt mich Diese nur noch gerechtfertigter erscheinen. Sie haben nicht die Zeit zu der Arbeit einestheils, anderentheils aber sehe ich doch auch ein, daß das Material, welches |2| Sie besitzen nicht hinreichend für solch eine Arbeit ist, Anderes aber, was ich noch besitze, und was den Hauptwerth des Werkes ausmachen dürfte, ist zu intimer Art um es zu veröffentlichen. Ihre Aeußerung, daß Sie die Redaction wegen dieses Werkes aufgeben möchten, hat mich daher erschreckt, denn, ich glaube, sie wird Sie dafür nicht entschädigen können an pecuniären Vortheilen. Zu Dem kommt noch, daß Spitta’s „Lebensbild Robert Schumann’s“ eben erschienen, zum großen Theile vortrefflich ist und viel gelesen werden wird; außerdem ist Jansen’s |3| Werk vollendet, und möchte wohl vor allen anderen Werken den tiefsten und interressirendsten Einblick in das Innere <> Schumanns gewähren. Gerade dies Werk bringt mich zu der Einsicht, daß es eben doch eine ganz andere Sache ist, wenn solch ein Werk das Erzeugniß Jahrelanger Hingabe für den Gegenstand ist, als wenn man nur zusammenträgt, ohne die innerste Nothwendigkeit. Ich glaube, daß diese beiden Werke das Unsrige unnöthig machen, und, wie gesagt, Ihnen <de> nicht der materielle Lohn werden würde, den Sie für die Opfer an Zeit und Mühen beanspruchen müssen. |4| Ich möchte Sie daher bitten die Sache aufzugeben, und mir mein Material zurückzusenden. Ich bin gern bereit Ihnen die für die Sache verwandte Zeit zu vergüten, wenn Sie mir sagen wollen was Sie darüber denken.
Mein Vorschlag ist das Resultat langen Ueberlegens, glauben Sie mir dies, aber, <selbst, wenn Sie mehr Material hätten wäre das> mir scheint das Unternehmen mit dem geringen Material was wir haben nicht mehr zeitgemäß nach dem Erscheinen der zwei Werke v. Spitta u. Jansen.
In der Hoffnung, daß es Ihnen bald besser mit Ihrer Gesundheit gehe, bin ich mit freundlichem Gruße
Ihre
ergeb
Clara Schumann.
|