23.01.2024

Briefe



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ID: 12073
Geschrieben am: Mittwoch 27.10.1886
 

Frankfurt d. 27. Okt. 86.

Meine liebe Emma!

Was hast Du wol von mir gedacht, daß ich so lange auf Deinen lieben Geburtstagsbrief schwieg – Bei solchen Gelegenheiten müßen aber die besten Freunde immer die nachsichtigsten sein, u das bist Du mir ja stets. Es war die ganze Zeit her wieder eine sehr bewegte; wir feierten meinen Geburtstag in München, wo ich mir mit Hildebrand aus Florenz rendez-vous gegeben hatte um meine Büste in Marmor fertig zu machen. Marie reiste nach Hause u ich blieb mit Eugenie in München 14. Tage; zu meinem Schrecken wurde Eugenie dort krank u kam auch noch krank hierher zurück, so daß sie hier noch ein paar Wochen lag. Das war, besonders im Anfang, wo man nicht wußte was es werden würde, u wo noch schwereres drohte, eine große Sorge! Gott sei Dank ist sie doch jetzt auf dem Wege der Genesung, es war aber ein schlechter Anfang wieder hier zu Hause. Natürlich erwartete mich auch wieder viele Arbeit, besonders an Correcturen die nun alle bis Weihnachten beendet sein müßen. Zudem hatte ich an die 80. Gratulationen zu beantworten u bin noch nicht mit der Hälfte fertig. So habe ich mich denn, denke ich, bei Dir entschuldigt u wußte doch, daß ich es nicht nöthig hatte. Von mir kann ich Dir auch nicht sehr viel Gutes sagen; ich habe jetzt seit vier Monaten reumatisch-nervöse Schmerzen in der Ferse des rechten Fußes, u kann keinen Schritt ohne Pein gehen, dazu fehlt es auch nie an anderen Schmerzen, hier oder da – immer<> Reumatismus. Wie es mit dem Spielen geht, habe ich noch nicht erprobt, da alle meine Zeit auf die Correcturen hingeht. Ich fürchte aber, ich werde noch mäßiger damit sein müßen, als vorigen Winter, u so weiß ich auch noch gar nicht, wie es mit Leipzig werden wird, wo ich für den 2t Dez. versprochen hatte. Du wirst nun wol wieder von Deinem weißen Hirsch zurückgekehrt sein!? hoffentlich hast Du den herrlichen Herbst noch recht genoßen, und herzlich bitte ich Dich um ein Wort, wie es mit Deiner Gesundheit jetzt geht, ob Du Dich ganz wol wieder fühlst? Ist Louise wieder bei Dir? u Dein Gustav? Die Büste von H. ist wunderschön geworden – ich wollte ich könnte sie Dir zeigen. Ich habe Dieser die Bekanntschaft eines lieben, prächtigen Künstlers, wie sie einem jetzt selten erscheinen, zu danken. Hildebrand ist ein seiner Kunst mit ganzer Hingabe lebender Mensch, dabei von einer Einfachheit u Kindlichkeit, die mich oft wahrhaft rührte. Doch, beschreiben laßen sich ja eigentlich solche Eindrücke nicht. Von Livia hatte ich leider keine guten Nachrichten heute, sie schreibt von einem Nierenleiden das sie ans Bett fesselt. So muß eben jedes von uns dem Alter Rechnung tragen!
Nun meine liebe, gute Emma sei mir aufs innigste gegrüßt u möchte bald Gutes von Dir hören
Deine
Clara Sch.

An die Kinder freundlichste Grüße, auch von meinen Kindern an Euch Alle.

[Umschlag]
Frau
Emma Preusser.
Dresden
<39. Pirnaische Straße> Lüttichaustr.
wenden
Verzogen nach der
Lüttichaustraße N 28.
Grafe W 18

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Preußer, Emma (1204)
  Empfangsort: Dresden
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
329-332

  Standort/Quelle:*) D-B, s: N.Mus.ep. 1238
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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