Franzensbad d. 26 Juli 88.
Loimann’s Badehaus.
Liebe Emma,
sehr erfreut war ich über Ihre lieben Zeilen! wie lange hatte ich nichts direct von Ihnen erfahren. Was mich nun aber veranlaßt Ihnen sofort zu antworten ist der Umstand Ihres theueren Mannes Berufung nach Jena. Es ist selten, daß ich mich in derlei Angelegenheiten mische, aber hier drängt mich |2| die große, herzliche Theilnahme, die ich für Sie hege, wie für Ihren Mann, Ihnen zu dieser Uebersiedlung zuzureden, selbst wenn Ihres Mannes Bedingungen nicht im vollen Maaße erfüllt würden. Sollte nicht das Clima für Sie Alle in Jena besser sein? könnte sich die Thätigkeit Ihres Mannes nicht zu einer weniger anstrengenden dort gestalten lassen? Wäre die Erziehung der Kinder dort nicht viel leichter? – Wäre es nicht besser, er nähme eine |3| weniger einträgliche Stellung an, (vorausgesetzt mit weniger Anstrengungen verknüpft) und erhielte seine Gesundheit zu Ihrem und Ihrer Kinder Wohl? – Zürnen Sie nicht, daß ich mir erlaube hierin meine Meinung zu sagen, aber der Gedanke daran, an alle die Vortheile in Jena, (der Verkehr dort soll auch sehr anregend sein) hat mich diese Tage immer verfolgt, und wahrlich, nicht der Egoismus, Sie näher zu haben, nur die Ueberzeugung vieler Vorzüge vor Utrecht, bestimmt mich Ihnen vielleicht |4| zudringlich zu erscheinen.
Wie leid war mir zu hören, daß Sie wieder schlimme Zeit durchgemacht! Gott sei Dank geht es Ihnen aber jetzt besser, und hoffentlich bis Ende des Sommers ganz gut! –
Wir Drei sind so ziemlich wohl, aber die Sorgen um meinen Sohn, u. seine Familie, sind groß – ich habe, da er seine Stelle aufgeben mußte, Alles auf mir, habe 3 Knaben in Pension zur Erziehung gebracht, eine Tochter ebenfalls in ein Institut u. s. w. An eine Genesung ist nicht zu denken, der Arme humpelt mühsam auf zwei Stöcken! ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was das für ein Mutterherz ist, solches Elend anzusehen! –
|5| Ich schrieb so flüchtig, aber, eigentlich soll ich während der Cur gar nicht schreiben, hatte aber die Sache mit Jena auf dem Herzen! entschuldigen Sie es.
Leben Sie wohl, liebe Emma, erholen Sie sich recht, grüßen Sie Ihren lieben Mann, wenn er bei Ihnen ist, und lassen Sie mich wissen, sobald über Ihre Zukunft entschieden ist.
Ihnen Beiden
treu ergb
Clara Schumann.
|6| Meine Töchter grüßen herzlichst.
Bis 4ten Aug. sind wir hier, dann Obersalzberg bei Bercht., Pension Moritz bis Anfang Septbr. –
Frau Schmitt ist hier mit Tochter und Freundin, wir sehen uns aber wenig – wenn ich eine Cur gebrauche liebe ich keinen großen Verkehr, muß auch einmal eine Zeit lang völlige Ruhe haben!
[Umschlag]
Frau
Emma Engelmann.
in
Ilsenburg.
am Harz.