23.01.2024

Briefe



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ID: 12400
Geschrieben am: Donnerstag 08.03.1888
 

London d. 8 März 1888.

Liebes, bestes Lisl,

wenn Sie wüßten, wie oft ich an Sie denke, Sie würden mir keinen Augenblick zürnen, aber, ich kann eben nur den kleinsten Theil von dem thuen, was ich möchte, und, schreiben, ist das schwerste. Ich darf jetzt ja gar nicht schreiben, muß meinen Arm ganz enorm schonen! – Und, der Entschluß nach London zu gehen kam so schnell, daß wir kaum alle Vorbereitungen zu der Reise ermachen konnten. Dazu kam wie immer der beruhigende Gedanke, daß Fillu Ihnen alles mittheilen würde! – Vor allem nun verzeihen Sie, Liebste, mir, gewiß verdiene ich dies um meiner Liebe und Theilnahme für Sie halber. Ach, Theuerste, was machen Sie durch, wie tausendmal habe ich dies gedacht, und wie manchen Seufzer zum Himmel gesandt. Ach, es ist so grausam, was solch armen Menschenkindern auferlegt wird, wie Ihnen und dem theueren Dulder! Ihre Karte brachte mich ganz außer mir vor Wehmuth, und, daß ich Sie nur einen Augenblick könnte gekränkt haben <könnte>, die ich ja so gern Alles Ihnen zur Liebe thäte, was ich könnte. Wie begreife ich Ihre Muthlosigkeit, und doch vertraue ich auf Ihre Seelenstärke, die auch Ihren lieben Mann aufrecht erhalten wird. – Von mir soll ich Ihnen sagen, und doch ist mir das Herz so schwer von Ihrem Leiden, daß ich von dem Guten, was mir hier wird kaum zu Ihnen sprechen kann. Ich bin auf Händen getragen, vom Publikum mit unbeschreiblicher Herzlichkeit aufgenommen, und, jedes Mal, wenn ich auftrete, ist es dasselbe. Bis jetzt ist mir auch Alles sehr geglückt – der Himmel gebe, daß es so fort gehe. Am 29ten wollen wir hier abreisen, nach Brüssel erst, dann Düsseldorf, und am 3 oder 4 April wieder in Frankfurt sein. –
Ich muß schließen, leben Sie, Liebe, so muthig, wie es nur möglich ist! könnte Liebe etwas helfen, die meine müßte es! – Ihrem armen Mann innigste Grüße und treues Umarmen Ihnen von Ihrer alten Clara Schumann.

Marie sendet ihre theilnehmendsten Grüße
Gruß an Levi. Bitte, vergelten Sie mein Schweigen nicht, sondern senden Sie ab und zu Karten.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: London
  Empfänger: Herzogenberg, Elisabeth von (691)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
675f.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6894-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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