23.01.2024

Briefe



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ID: 12425
Geschrieben am: Mittwoch 21.03.1888
 

London, den 21. März 1888.
Lieber Johannes,
ich habe Dir so viel zu danken und konnte doch durchaus keine Ruhestunde finden zu einem anständigen Briefe. Vor allem nun nimm heute den besten Dank für die schnelle Beantwortung meiner Anfrage, und für die Bücher, womit Du Marie so freundlich überraschtest. Sie dankt Dir natürlich selbst.
Den Brief von Brichte schickte ich mit, wenn ich ihn bei mir hätte. So kindlich vertrauend war ich aber doch nicht, denn dann hätte ich ja gar nicht erst bei Dir angefragt. In solchen Dingen bin ich jetzt doch vorsichtiger.
Von hier läßt sich Neues kaum erzählen, den alten liebevollen Empfang, der mich stets rührt, lasse ich mir aber gern gefallen. Man hat doch keinen Begriff bei uns in Deutschland von solchen Enthusiasmus-Ausbrüchen, wie man sie hier erlebt.
Nach Dir fragen die Leute immer und immer, und viel wird von Dir musiziert. Gestern hatte ich die Freude, Dein Trio, von Mad. Neruda und Piatti sehr schön begleitet, im Pop. zu spielen.
Joachim ließ mich damit im Stiche, indem er schnell zu einer Trauerfeier nach Berlin reiste, aber die Neruda sprang für ihn ein und spielte sehr schön und warm. Piatti muß man mit fortreißen, was ich denn auch getan und wieder das herrliche Stück genossen habe wie niemand. Ich erdreiste mich, zu behaupten, daß, wie ich bei diesem Stücke empfinde, nur Du beim Schaffen empfunden haben könnest!!!
Ob Du nun wohl schon in Italien bist? Es soll aber dort auch so schlechtes Wetter sein, daß ich hoffe, Du hast noch gewartet. Wir wollen hoffen, am 5. April wieder zu Haus zu sein. Ich habe, Gott sei Dank, so viel verdient, daß ich mich den Sommer wegen Ferdinand nicht so um das Pekuniäre abzusorgen brauche, und das wird mir zu einem wirklich erfrischenden Sommergenuß, hoffe ich, verhelfen.
Laß bald von Dir hören, und nimm alle guten Wünsche mit auf Deine Reise von
Deiner alten
Clara.
In welch ereignisvoller Zeit leben wir jetzt, und wie sehr wird unser Herz beteiligt!

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: London
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1813f.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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