Berchtesgaden Pension Moritz d. 26 Aug. 91
Liebstes Lisl,
man hört ja gar nichts von Ihnen, und denkt doch so viel an Sie! Gott sei Dank hörte ich neulich von Dr Schmiedlein daß er<> so gute Nachrichten aus Nauheim hatte, aber von Heiden aus hatte er noch nichts gehört! wie geht es Ihnen dort, gefällt es Ihnen? was macht der theuere Mann? Nun naht sich unser <>Abschied <>von (Verzeihung) hier, wir wollen am 3ten Septbr fort, nach München, dort 3–4 Tage bleiben, dann ’mal in Heidelberg Kussmaul consultiren, u. am 10 oder 11ten zu Hause sein. Es ist mir gar nicht gut gegangen, jeder Tag brachte mir etwas Neues an Leiden, und die letzten 14 Tage war ich ganz darnieder, konnte gar nicht mehr schlafen, durch die schrecklichen Nachrichten von der armen Livia, deren Krankheit ich gar nicht so ernst genommen hatte – wer konnte sich das auch denken, bei dieser so blühend scheinenden Frau, die so merkwürdig jung sich erhalten hatte. Ihr Tod war eine Erlösung, denn sie war unheilbar, was sich nach einer Unterleib-Operation herausstellte. Die Kinder haben schwere Monate ausgehalten, denn Livia hat furchtbar gelitten. Man glaubt, die vielen starken Mittel, die sie Jahrelang genommen, haben ihr Blut vergiftet. Schwer trifft mich dieser Verlust meiner ältesten Freundin – wir waren doch eng verbunden durch viele herrliche Jugend-Erinnerungen! – So geht Eines nach dem Anderen, wie hart ist das! diese Vereinsamung im Alter ist gar schwer, und drückt Einen darnieder.
Ich schließe, hoffe bald von Ihnen, wenn auch nur eine Correspondenzcarte zu erhalten, bitte, bitte. Wenn sind Sie in München? wir denken d. 4, 5, 6, dort zu sein – im Marienbad.
Mit herzlichen Grüßen (auch von Marie – Eugenie ist wieder zu Haus)
Ihre
altgetreue
Clara Schumann.
Wo ist die theuere Mutter?
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