Frankf. d. 7 Jan. 92
Lieber Herzogenberg,
ich bin so erschüttert, daß ich kaum Worte für meinen Schmerz finde! das theuere, heißgeliebte Weib mußten Sie hergeben, was verlieren Sie, und Alle die sie kannten und liebten und verehrten. Ach Gott, wie werden Sie es tragen, das Leben ohne sie, die Ihr Alles war! man konnte sich ja nie von Ihnen Eines ohne das Andere denken! – Ihr lieber Brief hatte mich schon so erschreckt, u. ich hätte Ihnen gleich geschrieben, wenn ich nicht das Mißgeschick gehabt hätte am Neujahrstag einen schweren Fall zu thuen, der mich auch jetzt noch unfähig macht weiter zu schreiben, da ich mir den Arm verstaucht und eine Verzerrung der Muskeln im ganzen Körper zugezogen habe – fast immer noch liegen muß. Bitte lieber armer Freund, lassen Sie mich durch Fräulein Hauptmann nur ein Wort erfahren, was Sie thun, wo die Theure beerdigt wird und wie es mit Ihrer Gesundheit ist. Ach, wie schwer ist es, in solchen Prüfungszeiten Freunden nichts sein zu können. Ich kann es garnicht fassen den Gedanken das theure Lisl niemals wiederzusehen. Marie ist mit mir aufs tiefste bestürzt; Eugenien sandte ich soeben Ihre Depesche nach Basel, wie wird auch sie erschüttert sein! Ich finde keine Worte mehr, lieber bester Herzogenberg, aber Sie wissen, ohne daß ich es sage, wie in tiefster Seele ich mit Ihnen traure! Welch ein Schmerz für die arme Mutter!
Ich schließe mit der innigsten Bitte um ein Paar Worte durch Fräulein Hauptmann und bin Ihre tief betrübte
Clara Schumann.
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