Frankfurt a/m. 13. Dez.
Meine lieben Freunde!
In Ueberbringer dieses, Herrn Leonard Borwick aus London, stelle ich Ihnen einen meiner liebsten Schüler vor, und lege ihn Ihnen Beiden ans Herz. Ich glaube, es wird Ihnen nicht schwer werden, meinen Wunsch zu erfüllen, denn er ist ein lieber, feiner Mensch, u. sein Spiel wird Ihnen Freu<n>de machen, besonders, wenn er Brahms spielt, wobei er wärmer wird als es bis jetzt noch z. B. bei Beethoven der Fall ist. Er ist noch mein Schüler, ich habe ihm aber zugeredet, mal einen Monat in Berlin zuzubringen, andere Künstler und andere Bestrebungen kennen zu lernen und selbst viel vorzuspielen. Ich hoffe, daß dies ihm den noch mangelnden Schwung verleiht, und die Freiheit beim Spielen. Von Berlin kommt er wieder hierher u. wir wollen dann noch 3–4 Monate ruhig studiren – ich hoffe, die neuen Eindrücke werden uns dann zu Statten kommen. Wie geht es Euch <L>lieben Beiden? Ach, daß Ihr da in dem Berlin sitzt ist doch schrecklich, unerreichbar für mich, denn kaum komme ich diesen Winter hin. Wie freute mich aber aus der letzt empfangenen Karte zu ersehen, daß es Ihnen, lieber Herzogenberg, so gut geht! – thuen Sie nur nicht zu viel des Guten. Mit dem lieben Hildebrand hatte ich eine kleine Geschäfts-Correspondenz, aber sagen Sie mir um Gottes Willen, heißt sein kleiner Sohn Hadubrand? Ich hoffe er hat sich einen Scherz mit mir gemacht! Ich hatte doch nicht recht den Muth etwas darüber zu schreiben, denn wenn er nun wirklich so hieße! Ich freue mich, wenn Borwick zurück kommt, von Ihnen Ausführliches zu hören. <Uns> Wir sind soweit wohl! Ich will Sonntag mal wieder etwas Musik bei mir machen: Sonate, op. 111 von Beethov. von einer Schülerin von mir, Ilona Eibenschütz, die sie ganz ausgezeichnet spielt, Lieder von Brahms – Stockhausen, Carneval – ich. Neulich habe ich im Quartett hier Brahms D-moll Sonate gespielt; es war anders als im Frühjahr in Nizza, wo ich so wenig disponirt war, und das Lokal mich so ernüchterte. Sie wurde hier mit wahrem Enthusiasmus aufgenommen. Vielleicht schrieb ich es Ihnen schon, dann entschuldigen Sie. So ein lieber, ausführlicher Brief einmal von dem lieben Lisl, wie ich deren so manche unter meinen Schätzen besitze, würde mich gar sehr erfreuen, ich will aber gern warten bis <>sie einmal ein Musestündchen hat.
Mit vielen, herzlichen Grüßen von uns dreien
Ihre alte, getreue
Clara Schumann.
Es wäre mir lieb, fände sich Gelegenheit, daß Sie meinen Schützling einmal dem verehrten Spitta vorstellten, ich wage es nicht recht, B. direct an ihn zu empfehlen, weil ich weiß, wie furchtbar er beschäftigt ist.