23.01.2024

Briefe



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ID: 12593
Geschrieben am: Dienstag 12.05.1891
 

Baden-Baden d. 12 Mai 1891.

Liebster Joachim,

Ihr lieber Brief kam mir verspätet zu, da ich schon hier in Baden war. Wie gut von Ihnen, daß Sie wieder daran gedacht hatten, mich zu besuchen – und darum komme ich nun durch mein Unwohlsein, das mich seit dem März quält. Eine heftige Erkältung, und rheumatische Leiden veranlaßten endlich den Arzt mich hierher zu schicken, da er von dem hiesigen Wasser sehr viel hält. Wie wäre es herrlich gewesen Sie wären hierher gekommen, aber, freilich bei so spärlich bemessener Zeit kann ich dazu ja kaum zureden! – Meine Sommerpläne beschränken sich dies Jahr nur auf den Obersalzb. Franzensbad besuche ich nicht, weil ich ja hier bade. Leider kommen Sie ja nicht mehr in diese Gegend, vielleicht eher, wären die lieben Liesleier noch in Berchtesgaden! – Der Tod von Burnand kam uns furchtbar erschütternd – Sie wissen wohl gar nicht, daß Eugenie z. Besuch bei ihm war, er noch mit ihr wohlgemuth gescherzt hatte, als er das Haus verließ. Schön ist ja solch ein Tod, aber für die Hinterbleibenden entsetzlich. Den schönsten Tod hatte aber der herrliche Moltke, umgeben von den Seinigen, eben noch das gemüthliche Heim genießend. Ich möchte ich hätte diesen Mann gekannt, und auch Bismarck. Wie mag den Letzteren des Freundes Tod erschüttert haben! – Wie schön haben Sie wieder musicirt, und ich sitze da immer und lechze ’mal nach einem ungetrübten Genuß. Ach, mein Gehör macht mir so große Sorge; die Erkältung ist mir schon über 4 Wochen so aufs Gehör gefallen, daß mir immer ist, als ob mein Kopf unter Wasser stäkt, Tag und Nacht braust es förmlich wie Ungewitter in meinen Ohren. Der Arzt beruhigt mich, es werde mit der Erkältung weichen! dazu kommt nun noch, daß ich von der Mitte der Claviatur bis zum Baß Alles falsch höre, zwei schnell aufeinander folgende Harmonieen nicht verstehe, wenn ich das Werk nicht auswendig weiß. Ach sein Sie nicht bös, daß ich Ihnen von meinen Leiden vorklage, aber, ich weiß, Sie schenken mir doch Ihre Theilname. Gott sei Dank, kann ich hier die Natur doch noch genießen, die im Frühjahrsschmuck besonders zauberisch ist. Mein Schwiegersohn, der auch hier ist mit Familie, hat mir die große Ueberraschung bereitet, mir einen bequemen Wagen für die ganze Zeit meines Aufenthaltes hier zu miethen, so daß ich täglich fahren kann, was ich aus eignen Mitteln nicht gekonnt hätte. Von Eugenie bekommen wir interressante Berichte aus Malta, Palermo, jetzt Taormina; sie reiste bis Malta mit der Fillunger, kommt Ende d. M. zurück (das sieht etwas curios aus, ist wohl falsch abgetheilt!). Die arme Herzogenberg hat ja einen schlechten Winter verbracht – ich habe so viel an sie gedacht – da sollte man in meinem Alter wohl über nichts klagen! Grüßen Sie sie Beide doch sehr von mir – ich bin sehr gespannt auf ihre Nachrichten. Da fällt mir noch etwas ein: kennen Sie in London den Redacteur Charles Peters? Herausgeber des Journal „The Girls own Papers“? Derselbe hat mich um eine kleine Composition gebeten – ich fand in dem Buche einige gute Namen, glaubte daher ihm zusagen zu können. Ich habe da doch nicht am Ende etwas Dummes gemacht? Zu meinem Schrecken ist dies der 3te Bogen (die Bogen sind zwar klein) so will ich denn zum Schluß eilen. Nehmen Sie noch einen freundlichen Händedruck, lieber Joachim, für die lieben Worte, die Sie mir über Borwick sagen; ja, ein fleißiger, gewissenhafter Künstler, ein Aechter im Gemüth, ist er, möchte ihm mit der Reife noch die Leidenschaft und Wärme kommen – Letztere hat er für Manches doch, aber nicht genug für die alten Meister. Trotzdem war er mir der liebste Schüler, und ich gab ihm wahrlich was ich konnte! da freut es Einem dann, wenn Einer, wie Sie, so liebe Worte der Anerkennung sagt. Ich nehme nun auch Gelegenheit Ihnen meine Freude über die Gabriele Wietrowetz auszusprechen, die uns wahrhaft überrascht hat. Die <macht> hat eine schöne Zukunft, vielleicht gerade ’mal in England, wenn die Neruda nicht mehr spielt, nur, muß sie sich mehr schonen, nicht so unsinnig auf ihre Nerven losgehen, wie sie es leider diesen Winter gethan. Ich möchte den jungen Künstlerinnen Allen immer gern mit meinen Erfahrungen nützen, aber, sie wollen es nicht, sie glauben nicht, es war eben so mit der Soldat. Wie recht haben Sie mit der Ilona – wie tausend Mal habe ich ihr Dasselbe gesagt, sie muß auch erst durch Erfahrungen und Erlebnisse reifen. Jetzt schließe ich aber wirklich – haben Sie Nachsicht mit meiner flüchtigen Schrifft, grüßen Sie Frau v. Beulwitz und die Söhne herzlichst und, wollen Sie mir ’mal wieder eine große Freude machen, so senden Sie mir wieder solch einen Brief, dem man die Freundschaft in jeder Zeile anfühlt. Anfang Juni bin ich wieder bis 8–9 Juli in Frankf. Am Ende kommen Sie doch noch?
Ihre alte
Clara Sch.

Marie, mein Schutzgeist, grüßt Sie herzlichst.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1418-1422

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6666-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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