23.01.2024

Briefe



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ID: 12600
Geschrieben am: Sonntag 10.10.1886
 

Düsseldorf d. 10 Octbr. 1886.

Lieber Joachim,

wie lange bin ich Ihnen den Dank für Ihren lieben Geburtstagbrief schuldig geblieben! so oft dachte ich an Sie, u konnte doch nicht zum Schreiben kommen. Ich war ja 13ten in München (Hildebrand<t> hat dort meine Büste in Marmor fertig gemacht) und blieb 14 Tage, kaum 8 Tage vorüber wurde Eugenie krank, und noch immer liegt sie, jedoch ist sie auf dem Wege der Besserung. Es war eine Lungen-Katharr-Affection, u. eine großer Schreck, der für Wochen mich förmlich gelähmt hatte; ich brachte sie an einem fieberfreien Tage nach Frkf. und nun geht es ja, Gott sei Dank, so viel besser, daß ich wieder Muth bekomme. Ich bin hier für 2 Tage zum Besuch bei Bendemann’s, u. Leser’s 74ten Geburtstag – die Kinder dachten es gut für mich, eine kleine Ausspannung. Ach, was giebt es denn trostreicheres in solchen Zeiten als liebe, alte theilnemende Freunde! – Wie leid war es mir Sie nicht in Obersalzberg gesehen zu haben! es war ein schlimmer Sommer - Schluß, erst Meran, wo uns die Hitze fast zur Verzweiflung brachte, dann Eugeniens Krankheit – auch ich selbst laborire viel, jeder Tag bringt mir ein anderes Weh! – Wie muß man doch im Alter erst recht lernen! – Viel dachte ich besonders in München Ihrer, wie sehr muß der Schritt Ihrer Frau Sie betrübt haben, u, wäre es nur der Töchter halber! ob denn Ihre Frau gar keinen wohlmeinenden Freund hat, der sie von diesem Unternehmen abgebracht hätte! – Ich war zur Aufführung nicht mehr in München, aber von den Proben erzählte mir Levi; er sagte sie singe Einzelnes sehr schön, aber, trotzdem, wie kann man nach mehr denn 20 Jahren wieder auf die Bühne gehen, das, als Frau Joachim, und als Mutter erwachsener Kinder. Gewiß hat es Sie schmerzlich berührt, und thut mir gar leid für Ihre Frau selbst. Ich fürchte dieser Schritt führt zu Weiteren! – Ich denke aber jetzt doch so viel beruhigter an Sie, als seit Jahren, und immer steht denn das Bild Ihrer lieben Söhne daneben, und, trotz allem Schweren, ist es so wohlthuend, Sie so hohes Glück in Ihren Söhnen genießend zu wissen. Wie sind gut gerathene Kinder ein so sicherer Hafen für unser Herz im Alter. Ich drücke mich schlecht aus, bin in der Abreise - Unruhe, will Ihnen daher nur noch die Hand drücken in alter Treue. Grüßen Sie Frau v. Beulwitz, u. sagen Sie ihr, daß ich tief erschüttert von der Nachricht des Ablebens der Frau Dr Weber war – wie bald folgte sie ihrem armen Manne! – Für sie war es wohl ein Glück – was war das Leben ohne Kinder noch für sie! An Herzogenbergs viele Grüße auch – wie glücklich ist es für Sie und Diese Ihr Zusammenleben! –
Ihre
Cl. Schumann.

Entschuldigen Sie die verschiedene Tinte, die schwarze war alle u. nur blaue vorhanden.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1309ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6625-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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