Frankfurt d. 7/11 91
Liebe Marie
längst hatte ich folgende Zeilen auf dem Herzen, mit denen ich an Ihre und Ihres lieben Mannes langjährige Freundschaft appelliere. Sie wissen, wie lieb ich Sie habe, wie ich Ihnen in Treue anhänge; immer aber fällt, denke ich jetzt an Sie, das Verhältniß mit Sommerhoff’s wie ein schweres Gewicht auf mein Herz, und ich möchte noch ’mal schriftlich bitten, wie ich es schon einmal vorigen Winter in traulicher Stunde mit Ihnen mündlich that. Könnten Sie Beide sich zu einer Aussöhnung entschließen, es wäre eine Herzens-Freude für mich! ich würde es dann einrichten, daß Sie Beide sich mit Sommerhoffs hier bei uns allein träfen, und ruhig aussprechen könnten.
Je älter ich geworden, je mehr habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß man solche Miß-Verhältnisse unter einstigen Freunden nicht fortbestehen lassen soll, es quält beide Theile, und der, der in solchem Falle die Hand bietet, genießt gewiß die innerste Befriedigung.
Sie müssen ja begreifen daß dieses Verhältniß, abgesehen davon, daß es, nach so langer Freundschaft, doppelt traurig ist, für mich aber wirklich sehr schwer ist, die ich, beiden Theilen so nahe verwandt u. befreundet, mitten drinnen stehe!
Bitte, meine liebe, theuere Marie, überlegen Sie mit Ihrem Manne, und lassen Sie mich ein gutes Wort hören.
Eugenie sieht Sie ja wohl bald – ich wollte, ich könnte mit ihr zu Ihnen.
Ihrer verehrten Schwiegermutter meinen theilnemendsten Gruß.
Bei mir ist noch alles beim Alten, das Leiden geht auf u. ab! –
Herzlich und getreu
Ihre
Clara Schumann.
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