Frankfurt a/M d. 27 Juni 87
Liebe Königl Hoheit,
wie bestürtzt ich über Ihre gütigen Zeilen war, kann ich Ihnen nicht sagen, und umsomehr war ich es, als ich in Ihren Augen nachlässig erscheinen mußte, was ich wirklich nicht war. Ich hatte mir heute vorgenommen gehabt Sie zu besuchen, und für ein Stündchen zu mir zu bitten, und nun sind Sie fort! – Wüßten Sie, liebe verehrte Frau Landgräfin, was die letzte ganze Zeit mir an Arbeit, Kummer und Sorgen gebracht, dazu auch noch mehrmals Besuche von Freundinnen, die bei uns wohnten, ferner eine Woche viel Schmerzen im Arm, so daß ich gar nicht spielen konnte, es war mir wirklich nicht möglich mein Versprechen zu erfüllen, und nicht einmal Abschied konnte ich von Ihnen nehmen! ich bin ganz betrübt, und kann nur bitten, daß Sie mir nicht zürnen, mich nicht für schuldig halten.
Wir reisen Ende dieser Woche ab nach Franzensbad, im August dann nach Obersalzberg.
Möge Ihnen, theuere Frau Landgräfin, der Sommer nur Gutes bringen, vor Allem Ihnen Ihre theueren Angehörigen gesund erhalten! –
Bleiben Sie gütig gesinnt, liebe Königl Hoheit,
Ihrer
treu ergebenen
Clara Schumann.
[Umschlag]
Ihrer Königl Hoheit
der Frau Landgräfin
Anna v. Hessen.
Schloß Adolfseck
bei
Fulda.
[Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Kulturstiftung des Hauses Hessen]
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