Frkfurt a/m d. 23 April 1880
Liebe, verehrte Königl Hoheit
tausend Dank daß Sie meiner so gütig gedacht! ach aber, wie gern hätte ich Sie noch einmal gesehen, hätten Sie nur befohlen! leider habe ich nun ja diesen Sommer, da ich nicht nach Kiel gehe nicht einmal einen Schimmer von Hoffnung Sie zu sehen! Wie lieb war mir Alles was mir die Gräfin von Bünau gütigst schrieb, wie ganz besonders empfand ich auch die Freude mit Ihnen, daß Sie Ihren theueren Sohn Prinz Alexander bei sich gehabt, und mit seinen musicalischen Fortschritten so zufrieden sein konnten. Was Alles ist in dieser Zeit bei Ihnen, theuere Frau Landgräfin vorgegangen! es ist wohl das erste Mal, daß Sie länger getrennt sind von Ihrer geliebten Tochter, Prinzeß Elisabeth! ach, wie lange wird es dauern, dann müssen auch Sie ein theueres Kind hergeben – verzeihen Sie, aber, wie leicht drängt sich hier dieser Gedanke hervor. Wenn Sie an Prinzeß Elisabeth schreiben, und zufällig meiner gedenken sollten, bitte, so grüßen Sie sie recht warm, ich gedenke so oft ihres Liebreizes.
Wir sind jetzt in großer Unruhe und Erregung in Erwartung der Festtage in Bonn. Ich kämpfe Vieles in mir durch – dort aber, hoffe ich, soll die Freude und Dankbarkeit gegen ein gütiges Geschick, das uns an dieser Feier Theil haben läßt, alle Empfindungen des Schmerzes in den Hintergrund drängen. Vielleicht senden Sie, theuerste Frau Landgräfin, uns an dem Tage des 2t Mai auch einen freundlichen Gedanken. Die Enthüllung findet um 11 1/2 Uhr statt, außer einigen Chören von Bach, soll, wenn die Hülle fällt, der Schlafchor aus der Peri für Blasinstrumente erfolgen. Diese Feyer wird noch so Manches an Unruhe für uns nach sich ziehen, da viele unserer Freunde kommen und dann uns hier noch besuchen. Heute kam auch Herr Brahms, um mit uns nach Bonn zu gehen. Er spielt dort für mich, da es mir bei dieser Gelegenheit nicht recht passend erschien, selbst mitzuwirken. Herr Joachim wird den Manfred dirigiren, und das Violinconcert von Brahms unter dessen Leitung spielen. Vielleicht haben Sie die Programms schon gelesen!
Wie sehr würden Sie, liebe Königl Hoheit, mich erfreuen, schrieben Sie mir ’mal im Laufe des Sommers einige Zeilen von Ihrem Ergehen – Sie wissen es ja, wie warm ich an Ihnen hänge, und wie Alles, was Sie bewegt, mir so recht zu Herzen geht. So nehmen Sie denn meine innigsten Wünsche für diesen Sommer – möge der Herbst mir dann die Freude eines Wiedersehens mit Ihnen vergönnen.
Ein Wort des Dankes an die Gräfin v. Bünau haben Sie wohl die Güte Dieser zu sagen, und so nehmen Sie, theuere Frau Landgräfin, die treuesten Grüße
Ihrer
sehr ergeb
Clara Schumann.
Meine Töchter möchten sich Ihnen und der Prinzeß Elisabeth auch empfohlen wissen.
[Umschlag]
Ihrer Königl Hoheit
Frau Landgräfin
Anna v. Hessen.
Auf Schloß Panker
Lütjenburg-Holstein.
[Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Kulturstiftung des Hauses Hessen]