Frankfurt a/m. 31. 3. 92.
Lieber Herr Engelmann,
Erst jetzt bin ich soweit von einer Lungenentzündung genesen, daß ich, freilich immer noch nicht eigenhändig, anfangen kann, meine Dankschulden, noch von Neujahr her, abzutragen und komme recht spät zu Ihnen und Ihrer lieben Frau. Lassen Sie mich vor allem Ihnen |2| herzlich danken für Ihre guten Wünsche. Möge auch Ihnen dies Jahr nur Gutes bringen. Leider begann es bei mir sehr schlecht, indem ich am Neujahrstag über einen Teppich stürzte und mir innerlich so weh that, daß ich fast den ganzen Monat Januar gelegen habe. Dann kam die Krankheit, die meinen armen Kindern recht ernste Sorge brachte. Ich bin auf dem langsamen Wege der Genesung und Ende April wollen |3| wir ein südlicheres Klima aufsuchen, was die Ärzte dringend anrathen.
Das Hinscheiden der theuren Frau von Herzogenberg wird Sie gewiß auch mit Schmerz erfüllt haben. Ich kann es noch immer garnicht glauben, daß sie nicht mehr ist, deren Wesen einen immer wie Frühlingshauch umfing. Welcher Verlust für Alle, die ihr näher standen, und nun gar für den armen Mann, den ich bewundern |4| muß, wie er es trägt.
Die neuen Werke von Brahms mit Clarinette haben Sie nun gewiß auch mit Entzücken kennen gelernt! Denken Sie, wie grausam für mich, daß ich mit meinem Kopfleiden nichts hören, noch Musik lesen kann, weil ich von der gräulichen Musik im Kopf keinen Ton festhalten kann. Doch genug der Klagen. Könnten wir uns doch einmal diesen Sommer begegnen! – Leben Sie wohl, lieber verehrter Freund. Grüßen Sie die liebe Emma herzlich und ge-denken Sie ferner in Freundschaft
Ihrer
alt ergebenen
Clara Schumann.
[Umschlag]
Herrn Professor Engelmann.
Utrecht.
Holland.
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