Frankfurt a/M d. 24 Jan. 93.
Lieber Herr Engelmann
wie freute mich Ihr Brief heute Morgen mit der Inlage, die ich sofort an Borwick abgesandt, dessen Adresse übrigens folgende ist:
Leonard Borwick
Esqure.
Glenthorne Stanmore
near London.
|3| Ich möchte Ihnen noch Einiges über ihn sagen: er ist ein lieber, bescheidener Mensch, aber noch ganz unpractisch. Z. B. wählt er zum Concert am liebsten die Sachen, die ihm die liebsten sind, oft aber gar nicht für das Publikum geeignet sind, da habe ich ihm nun gleich Einiges vorgeschlagen, und habe ihm gesagt, er möchte doch nach dem Concert |2| noch ein paar Tage in Utrecht bleiben und privatim noch einigen Leuten, damit meine ich nun vor allem Sie und, etwa Riemsdyk, von seinem classischen Repertoir vorspielen. Das würde ihm nützen, und Sie lernten ihn noch besser kennen, als nur durch die Concertsachen. Dem fehlt ein Vater, der Alles für ihn besorgt. Denken Sie, ich hatte ihn im Sommer |4| Prof. Wach vorgestellt, Dieser war sehr freundlich, u. versprach mir ihn im Gewandhaus Engagement zu verschaffen, er solle ihm nur schreiben. Borwick war 14 Tage in Berlin, gab dort 2 Concerte, (mit großem Erfolg) schrieb aber nicht an Wach, ging auch nicht nach Leipzig um sich vorzustellen. Er habe geglaubt, Wolff besorge das Alles für ihn! nun, wenn man diese Agenten-Wirtschaft kennt, da weiß man, wie es hergeht. Doch ich komme in’s Schwatzen, verzeihen Sie.
|5| Wie freut mich der lieben Emma Frische! ach könnte ich ’mal wieder so eine musikalische Festwoche mit erleben, wie Sie in Leipzig! Welche Sehnsucht packt Einen da, wenn man erzählen hört. Schade, daß Sie nicht den ungetrübten Genuß hatten! – Sie sagen, das Quintett vom lieben Herzogenberg habe gefallen, aber nicht, wie es Ihnen behagt hat? doch, Sie sollen mir deshalb nicht schreiben. |6| Aber grüßen Sie ihn herzlich von mir – welch ein Mensch ist er, wie trägt er sein Leid! –
Ich feyere jetzt schöne Stunden am Clavier in den Brahmschen Stücken, welch ein Schatz sind sie, welche Poesie, Innigkeit, Leidenschaft – durch und durch genial, u. wie interressant für den Spieler, welche Zauber entlockt er dem Clavier! –
Doch nun herzlichste Grüße Ihnen Beiden von Ihrer warm ergeb
Cl. Schumann
Die Fantasie Op. 17 ist aber C dur! oder meinen Sie eine Andere?
[Umschlag]
Herrn Professor
Dr W. Engelmann.
Utrecht.
(Holland.)