23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 13173
Geschrieben am: Freitag 08.03.1895
 

Frankfurt a/M. d. 8 März 95,

Meine theuere Emma,

ach ja, es war eine lange Pause, aber, ich konnte nicht früher schreiben, bin erst jetzt mit Beantworten der Neujahrsbriefe fertig geworden, da ich nur wenig auf einmal schreiben konnte meines Armes halber, der noch immer leicht schmerzt. Und Du, Gute, Liebe, schreibst mir nun trotz Deiner schwachen Augen, so lieben langen Brief! hättest Du nur nicht die schwere Sorge mit den Augen, ist es aber nicht vielleicht nur, daß sie überhaupt schwächer werden, und was Dich erschrickt? meine Augen fühle ich auch schwächer werden, und denke auch oft mit Schrecken daran, wenn ich nicht mehr arbeiten könnte! ach, überhaupt, meine liebe alte Freundin, wie schwer ist das Alter zu tragen, wenn Gemüth und Geist doch frisch bleiben! – Wäre nur sonst Alles gesund bei Euch! die arme Louise leidet nun auch immer! ob sie nur nicht im Herbst immer zu lange in B. bleibt? ich weiß aus Erfahrung, wie feucht es dort im Herbst ist, habe selbst ’mal dort an einer Newralgie<> gelegen, die schlimm war. Seitdem sind wir im Herbst nicht mehr hingegangen. – Wie traurig auch, daß Du Deine alte Pflegerin fortlassen mußtest. Ich kann mir denken, wie schwer das für Dein Herz war, aber, Du hattest wohl schon lange keine Hülfe mehr an ihr! Von Gustav u. seiner Frau schriebst Du <>nichts! sind sie gesund jetzt? und hat sie noch nichts zu erwarten? – Musik höre ich sehr wenig wegen meines Kopfleidens, aber neulich, (vor 14 Tagen) hatten wir eine schöne Woche durch Brahms, der hier spielte, und dirigirte, enorm gefeiert wurde, und, durch die Aufnahme in Leipzig, sehr gehoben hier ankam. Endlich hat nun doch Leipzig ’mal seine Schuldigkeit an ihm gethan, und mir ist es eine besondere Genugthuung auch für Robert, der es ja vorausgesagt. Sein Dirigiren hier war wahrhaft zündend, herrlich, erinnerte mich sehr an Mendelssohn, die Lebendigkeit, dabei die Ruhe – es war wahrhaft meisterlich, wie man es jetzt kaum mehr sieht! – In unserer Bekanntschaft sah es schlimm aus, Stockhausen<s> hatte die Augen-Operation durchzumachen, kaum damit zu Ende erkrankte sein jüngstes Töchterchen v. 9 Jahren an Bauchfellentzündung, und schwebte Wochenlang zwischen Leben und Tod – jetzt geht es etwas besser, sie hoffen wieder, das Kind zu erhalten; bei Flinschens waren zwei Söhne in Liverpool und Einer in New-York an Typhus zu gleicher Zeit krank – das war entsetzlich! jetzt sind sie außer Gefahr; Frau Kissel ist immer sehr leidend, und, wie Du sie kennst, sehr wechselnd in ihren Stimmungen, einmal „zum Tode betrübt“, dann „himmelhoch jauchzend“! Thekla war fast ein Jahr sehr leidend, es war ganz entsetzlich! sie konnte Monate lang die Mutter nicht sehen; endlich brachte man sie nach Constanz, von wo sie nach 4 Wochen vor 8 Tagen frisch und munter zurückkehrte. Das sind unbegreifliche Zustände. – Bei Sommerhoffs waren Maasern durch 5 Wochen hindurch, jetzt wieder Influenza, Elise lag an furchtbarer Newralgie im Arm, kurz, bis jetzt haben wir uns noch am besten gehalten, ich gehe aber auch fast gar nicht aus, kann den Nordost nicht vertragen, u. die sehr kalte Luft ist mir nicht zuträglich. Aber ich entbehre sehr die Luft. Nun weißt Du Alles von hier und uns! Marie ist sehr wohl eben so Eugenie, die wir zu Ostern wieder erwarten. Neulich hatte sie bei sich ein kleines Dinner für Joachim, wo sie sehr lustig waren, J. reizend liebenswürdig, obgleich er jetzt immer sehr gedrückt aussieht – so recht vergrämt. Von meiner Marie möchte ich Dir noch sagen – Du weißt es aber ja, welch einen Schatz ich an ihr besitze! was sie Alles fertig bringt, ist unglaublich, und die wahrhaft rührende Sorgfalt für mich – jeden meiner Schritte bewacht sie, ich werde aber auch immer ängstlicher in Allem! – Nun, Liebste, hoffe ich, daß Du zufrieden mit mir bist. Ich habe ein richtiges Plauderstündchen mit Dir verbracht, ach, könnte ich es noch ’mal im Leben mündlich! aber, wir sehen uns wohl nie mehr, da Du nicht mehr die Reise hierher machen kannst. Welch trauriger Gedanke ist Dieser!
Grüße die Deinen herzlichst, auch Marie sendet ihre Grüße, u. ich umarme Dich, meine theuere Emma, in alter Liebe. Laß mich bald ’mal wieder von Euch hören.
Deine Clara.

Wem [sic] hast Du jetzt zur Pflege?
Bei Wem lernen Deine Ur-Enkel hier? laßt sie doch ja gut unterrichten, es kommt so viel auf den ersten Unterricht an.

P.S.
Solltest Du oder Louise ’mal Schmitt’s wieder sehen, so grüßt sie doch von mir sehr freundlich. Dann noch Etwas meine beste Emma: Ihr wohnt Parterre, und das macht mich besorgt für Euch. Habt Ihr Sonne in Eueren Zimmern? Ihr schlaft doch Keines<> nach Norden? da wird man den Rheumatismus nie los, überhaupt ist es unglaublich wichtig, daß man Sonne hat! Ich habe schon so viele Beweise bei Bekannten von mir, die, so lange sie Parterre wohnten immer krank waren, und alles verschwand, als sie in die Höhe zogen.
Du verzeihst mir doch! –

[Umschlag]
Frau
Emma Preußer.
Dresden.
16 Lüttichaustraße.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Preußer, Emma (1204)
  Empfangsort: Dresden
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
362-366

  Standort/Quelle:*) D-B, s: N.Mus.ep. 1254
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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