Stuttgart, Mittwoch d. 23//1 1839.
Verehrter Herr Doctor,
Ihren schönen Brief hab ich erhalten, und sage Ihnen den herzlichsten Dank – er soll mir ein liebes Andenken sein. Mit dem größten Vergnügen denke ich noch an den letzten Abend in Ansbach – und leider verging er so schnell, daß auch mir Alles ein Traum dünkt. Ich habe trotz meiner Müdigkeit, die Nacht sehr gut überstanden, der Weg war gut, und auch die Witterung sehr angenehm. Ich hab mich auf dem Weg mit allem Vergangenen in Nürnberg und Ansbach beschäfftigt. Meinem Vater habe ich bereits geschrieben, daß wir das Trio und Sonate ect. gespielt – ich hätte nicht geahndet, in Ansbach solche Spieler zu finden, und bedauere nur, daß Sie gerade in Ansbach sein müssen. Kommen Sie nach Leipzig, dann werde ich erst ganz mit Ihnen zufrieden sein. Leider fand ich hier Lindpaintner, Molique, Bohrer, abwesend, und war entschlossen gleich abzureisen, doch der Graf Leutrum ließ mich |2| nicht fort, ich mußte bei Hof spielen, und das geschah denn auch gestern, ohngeachtet der Hoftrauer, bei der Königin, und zwar blos vor der königlichen Familie. Man hat mir bereits einen schönen Schmuck überschickt, und Empfehlungen an den französischen Hof soll ich auch haben. Ich wollte heute abreisen (Sie können denken, wie es mich nach Paris zieht, zu so lieben Freunden), doch nun hab ich einmal das Eine gethan, und muß nun auch Concert geben, und zwar Dienstag d. 29ten. Mittwoch reise ich dann ab.
Mein Vater ist leider durch Unwohlsein verhindert hieher zu kommen, und so erwarte ich ihn denn mit Ungeduld in Paris.
Das Briefchen an Pauline werde ich besorgen, und, wie viel werden wir von Ihnen Beiden sprechen! Nennen Sie mich nicht arrogant, wenn ich Ihnen sage, daß ich nicht bin wie viele andere Künstlerinnen, die die Freunde vergessen, sobald sie zur Stadt hinaus sind – die Erhaltung Ihrer Beider Freundschaft wird mir theuer sein.
Leider sind der Concertbesorgungen so Viele, daß ich nicht länger dem Drange meines Herzens folgen kann, und schließen muß. Ich darf Sie wohl belästigen mit schönsten |3| Grüßen und Dank an den Herrn Musikdirektor Dürrner?
Wie sehr schön wäre es von Ihnen wenn Sie Pauline und mir auch einmal nach Paris schrieben! Paulines Adresse ist: Hôtel michodière, rue michodière.
Indem ich Sie nochmals um ein freundliches Gedenken bitte, küsse ich in aller aufrichtigen Freundschaft Ihre Frau Gemahlin und bin
Ihre
Clara Wieck.
Sie werden mir die Eile dieser Zeilen verzeihen, und alle Schuld dem Concert beimessen. –
|4| Sr. Wohlgeboren
Herrn
Doctor Canstatt.
in
Ansbach.
frey.
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