Frankfurt d. 26 Oct. 1891.
Liebste Frau Schöne.
Längst hätte ich Ihren lieben Brief, der mir so viel Freude gemacht, beantwortet; ich bin aber von meiner Sommerreise sehr elend an einem Nervenleiden zurückgekehrt, durch das ich eigentlich zu völliger Unthätigkeit verurtheilt bin, was Sie vielleicht auch durch Joachim schon erfahren haben. Ich möchte nun aber doch nicht länger säumen, Ihnen meinen Dank auszusprechen, und wenigstens einmal wieder zu versichern, wie mit wärmster Anhänglichkeit ich Ihrer und Ihrer Familie oft gedenke. Um so erwünschter waren mir denn auch alle Nachrichten, die Sie mir über die Ihrigen gaben. Erstaunt war ich, dass Sie nun auch schon so erwachsene Söhne haben; man glaubt garnicht, wie die Zeit vergeht. Wie lange haben wir uns nun schon nicht gesehen, liebe Frau Schoene, und wie oft sehne ich mich nach den alten lieben Freunden! Aber nach Berlin noch einmal zu kommen habe ich ja gar keine Aussicht; meine Sommerreisen führen mich immer nach der ganz entgegengesetzten Richtung, und das Reisen im Winter muss ich, meiner Gesundheit halber, ganz aufgeben. Leider habe ich meine Thätigkeit an der Schule noch nicht wieder aufnehmen können; meine Töchter aber sind wieder in vollem Zuge und mir eine herrliche Stütze. Sie können denken, welche Beruhigung mir Dieses, gerade jetzt, ist! Gott sei Dank sind sie Beide gesund, und, wie lernt man das schätzen in Leidenszeiten! Wie erfreulich ist, was Sie mir von Ihres Mannes Gesundheit mittheilen, um die Sie ja schon manche Sorge durchlebt haben. Bald sehen wir Joachim hier und ist es mein sehnlichster Wunsch, dass ich bis dahin doch etwas besser mich wieder befinden möchte. Ich muss schliessen und es Joachim später überlassen Ihnen Weiteres über uns zu berichten, da Sie Ihre freundschaftliche Theilnahme für Alles, was uns angeht, [so] bewahrt haben.
Leben Sie wohl, liebe Freundin, grüssen Sie Ihren verehrten Mann, meinen Pathen Georg besonders herzlich, und nehmen Sie alle treuen Wünsche für Sie und die theuren Ihrigen von Ihrer
Ihnen von Herzen
ergebenen
Clara Schumann.
|