Frankfurt a/M 23 Dec. 1894.
Liebste Lida,
Sie sollen nur wissen, daß ich am Weihnachtstag innigst Ihrer und des theueren Mannes gedenke; ach, wäre er doch noch bei uns! wie schwer ist es, ihn zu missen, und, wie tragen Sie es so groß und edel! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was mir bei dem Gedanken an Sie in der Seele lebt! die vielen traulichen Gespräche mit Ihnen und Ihm, wie war das immer so beglückend! welch erhebendes Beispiel waren Sie und Er mir immer. Dank, meine theuere Freundin, für Ihren letzten Brief, wie habe ich wieder Ihre Treue daraus erkannt – ach, ich bin so schwach, leide so viel, freilich, wenn der Körper Einem so viel zu schaffen macht, ist es doppelt schwer, Gemüth und Geist zu erheben. Ich hatte eine sehr starke Erkältung, war einmal in der Droschke gefahren mit einem offenen Fenster wie es mir der Arzt verordnet hatte, es war feucht, und ich bekam den Zug auf mein linkes Bein, habe 5 Tage die entsetzlichsten Schmerzen Ischiasartig gehabt. Gott sey Dank geht es jetzt besser, was mir doppelt erfreulich ist, als wir Eugenie erwarten, die bis 13 Jan. bei uns bleibt. Wäre sie nur erst glücklich da, die Ueberfahrten sind so schlecht jetzt immer bei dem Nebel u. Sturm.
Hoffentlich sind Sie, Liebste, ganz wohl zum Fest, das Sie als zärtliche, treueste Großmutter gewiß mit den Kindern feyern. Bitte senden Sie Inliegendes gelegentlich mit an Frau Hübner. Ich weiß immer nicht die Adresse in Dresden? –
Ihre alte treue Clara.
Marie fügt ihre treuen Wünsche den Meinen bei u. auch Eugenie die eben angekommen ist.
P. S. Mir fällt bei nochmaligem Lesen des Schlusses Ihres Briefes, wo sie davon sprechen, daß Sie so Vieles verbrennen, ein, wollen Sie mir nicht ’mal gelegentlich meine Briefe zurücksenden? d. h. wenn Sie sie nicht verbrannt haben, was das Beste wäre. Meine Töchter sind immer so sehr dagegen, daß ich Briefe verbrenne, aber trotzdem kann ich ruhig sein, weiß ich meine Briefe in ihren [sic] Händen; ich selbst kann ja übrigens auch noch sondern und vernichten. Also, Liebste, vernichten Sie, oder schicken Sie die Briefe an mich, wenn es Ihnen ’mal paßt. Nicht wahr, Sie liebe Gute, Verständige, zürnen mir nicht deshalb, finden meine Sorge gewiß gerechtfertigt. Ich habe Ihnen stets geschrieben, wie es mir um’s Herz war, das war aber doch nur für Sie.