Leipzig, d. 26. Mai 1850.
Liebste Emilie,
schönen Dank für Ihren Brief, und heute wieder zu neuen Aufträgen, wo¬mit ich Sie leider immer behelligen muß. Inliegenden Brief seien Sie so gut zu Professor Hübner zu schicken, und zwar sogleich. Ferner läßt mein Mann bitten, Sie möchten doch einmal gelegentlich mit zu Gottschalk, Klosterstraße Nr. 10 2 Treppen heraufgehen und ihn fragen, warum er meinem Mann gar nichts schicke? er möchte es doch gleich thuen.
Was den Spaziergang auf die Berge betrifft, so haben Sie mich falsch verstanden; ich meine ja nicht, daß Sie nicht mehr in den Plauenschen Grund gehen sollen, sondern nur nicht über die Berge zurück, das ist ja nicht nöthig, der Weg ist ja unten auch schön! gehen Sie ja so viel Sie wollen dahin, es sollte mir leid thuen, <es sollte mir leid th> thäten Sie es deswegen nicht. Überhaupt aber, liebe Emilie, Sie müssen meine Vorhal¬tungsregeln nie als Mangel an Vertrauen ansehen, so ist das nie gemeint, und nicht Alles gleich dahin auslegen! ich weiß recht gut, daß die Kinder nicht besser versorgt sein können, als bei Ihnen und schreibe ich besorgt um die Kinder, ist das nur eine unnöthige Vorsicht, die aus einer, durch die Entfernung erzeugten Ängstlichkeit entspringt. Also ein für alle Mal, haben Sie mich lieb, so seien Sie meines unbedingten Vertrauens sicher, und meines innigsten Dankes für Ihre Aufopferung.
Uns gehts sehr gut hier, und die Proben gehen auch vorwärts – ich begleite sie immer auf dem Clavier. Große Freude macht mir die Musik, die wieder Schätze von Poesie und Gemüt enthält (dies zu Ihnen gesagt). Die Aufführung wird sich ┌aber┐ doch wohl bis zum 10.–14. hinziehen, denn übers Knie brechen muß man so Etwas nicht, erst muß es ganz gut gehen.
Die lieben Kleinen küssen Sie Alle recht innig von mir! Julchen lernt wohl fleißig! schreiben Sie mir recht bald auch von Ferdinand und Lud¬wig, ob sie recht viel in der Luft sind, u. ob Ludwig neue Wörter lernt? Friederike soll nicht zu viel mit ihm sein, sonst lernt er das Sprechen gar nicht, sie muß ihm immer vorsprechen, besonders wenn sie spazieren ge¬hen. Julchen geben Sie noch ein besonderes Küßchen für den Abschied! –
Liebe Emilie, geben Sie ja dem Ludwig und der Julchen nicht zu viel zu essen! wie geht es mit Ludwigs Gesicht? –
Wenn das Geld alle ist, so schreiben Sie es ja, ich schicke Ihnen dann gleich.
Und nun für heute Adieu!
Noten für die Kinder kommen in den nächsten Tagen. Grüßen Sie Friederike und Pauline; letztere halten Sie zu häuslichen Arbeiten an, daß nicht Alles zu sehr vergraut; z. B. lassen Sie ihr einmal alle Thüren abscheuern, das ist recht nöthig, und wird es nie ordentlich gemacht, wenn außerdem zu scheuern ist; also ists besser, sie nimmt sich dazu allein eben¬mal einen Nachmittag. Sind Sie zufrieden mit dem Benehmen der Leute gegen Sie? Lassen Sie Sich nichts gefallen – einmal versehen, ists für im¬mer geschehen.
Nun 1 000 Küsse und Grüße an Alle, Ihnen meinen ganz besondern Händedruck! –
Ihre
Clara Schumann.
Marie v. L. grüßen Sie von mir, auch Frl. Gehe.
Noch eine Bitte: gehen Sie doch einmal sobald Sie können zu Madam Schmidt (Regisseur), Ostra-Allee Nr. 23 (glaub ich), und bitten Sie sie, daß sie mir ein kleines Stückchen Kante häkelt, sowie ich sie an den Kin¬dern ihre Bettchen gemacht habe – ich bringe nämlich die Bogen oder Zacken nicht heraus, weil ichs total vergessen habe. Sie kanns ja in Zwirn häkeln, und es brauchen nur 2 oder 3 Reihen zu sein. Dann legen Sie es in den Brief, aber bitte, recht bald, ich möchte gern die Decke fertig <ha¬ben> machen.