23.01.2024

Briefe



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ID: 14048
Geschrieben am: Montag 19.09.1853
 

Düsseldorf d. 19 Septbr. 1853
Herzlichsten Dank, meine liebe Marie, für Ihre Sendung, das Gedicht und das reizende Lichtbild. Sie haben mir damit eine recht zarte Ueberra¬schung bereitet, und hätte ich überhaupt nur gewünscht, Sie hätten kön¬nen hier sein! Ich muß Ihnen den ganzen schönen, glücklichen Tag er¬zählen – ich weiß, Sie feyern ihn noch einmal mit mir in der Erinnerung. Schon der 12te war uns ein freudiger Tag, unser 14ter Hochzeitstag, und nie, schon viele Tage zuvor, sah ich meinen geliebten Mann so heiter, als diesmal, wenn er mich nur ansah, so lächelte er, componirte von Früh bis Abend, und Nichts konnte ich auch nur ahnen. Da kam der Vorabend des 13ten und Robert sagte mir, er habe eine Hiobspost erhalten, Etwas, das er bestellt, sey erst Nachmittag bis 5 Uhr fertig, und so müsse ich mich bis dahin gedulden. Am Geburtstag-Morgen ging es außerordentlich lebendig zu, denn außer meinen hiesigen Freunden und Schülerinnen kamen noch Dr Härtels aus Leipzig und meine alte Freundin |2| Harriet Parish <s> aus Hamburg, so auch meine Schwester von Berlin. Es war mir fast zu viel des Troubles, und war ich herzlich froh, als es 12 Uhr war, wo wir mit den Kindern allein aufs Land zu Tisch fuhren bei dem herrlichsten Wet¬ter. Mein Mann richtete es so ein, daß wir um 5 Uhr Nachmittags zurück kehrten, und nun, was meinen Sie, daß ich fand? in meiner guten Stube in der Mitte einen prachtvoll mit Blumen verzierten Flügel, dahinter zwei Damen und zwei Herren, am Clavier eine Schülerin (außerdem noch viele Freunde) und nun begann im Momente meines Eintretens ein Quartett, und zwar ein Gedicht Roberts. Doch ich muß Ihnen dieß auch ausführlich erzählen, es war so gar überaus zart ausgedacht von ihm. Vor 13 Jahren nämlich, kurz vor unserer Verheirathung, schenkte mir mein Mann einen Härtelschen Flügel, und dazu hatte er ein reizendes Gedicht gemacht. Dieses selbe Gedicht hatte er jetzt componirt, und die Viere sangen es nun! war das nicht zart? nun denken Sie aber, daß ich, trotzdem, so wenig solch ein Geschenk geahnd<h>et, daß ich es |3| nicht eher dachte, daß der Flügel ein Geschenk, als bis es mir mein Mann geradezu sagte. (Ich dachte, er habe nur den Flügel von Klemms geliehen, um das Stück sin¬gen zu lassen.) Ich war auf das freudigste überrascht, zugleich aber auch erschüttert, denn ich fand das ein zu großes Geschenk, und für unsere Verhältnisse gewiß zu groß; doch Robert selbst zeigte eine solche inni¬ge Freude dabei, daß ich mich nach und nach beruhigte. Was mich nun aber auf das allertiefste ergriff und mit einer wahren wehmüthigen Freude überrieselte, waren die Früchte seines Fleißes, womit der Flügel übersäet war. Denken Sie Sich, Ouvertüre zum Faust, (Orchester, und zwei und 4händig von ihm selbst arrangirt) Concert-Allegro mit Begleitung des Orchesters (für mich eigens componirt) und eine Fantasie für Violine mit Orchester (für Joachim componirt). Von diesen drei Sachen ahnede ich nichts! –
Außerdem lag da noch Manfred, 4te Symphonie 4händig und 2te Vio¬linsonate, fertig gedruckt. Nun sagen |4| Sie, liebe Marie, giebt es wohl in der ganzen Welt eine so glückliche Frau, wie ich es bin? ach, es überfällt mich oft eine recht heiße Angst deshalb, denn gewiß ist es ein unverdien¬tes Glück, welches ich vor so vielen Millionen Frauen genieße, und der Himmel gebe mir Krafft, mich einigermaßen würdig dieses Segens zu zei¬gen. Und was kann ich Ihm, dem über Alles geliebten Manne, schenken, als meine Liebe und Verehrung? ich nehme es mir tagtäglich vor, Ihn nie zu betrüben, das Leben Ihm so süß, wie möglich zu machen, und daß ich dieß immer erfülle, dazu schenke mir der Himmel immer seinen Segen.
Ich schreibe Ihnen die Gedichte ab, und lege sie bei.
Von Emilien erhielt ich zu meinem Geburtstage auch Brief; sie glaubt, ich sey ihr so bös, daß ich keinen Brief von ihr sehen möge! wenn sie sich das nur nicht einbildete, es fällt mir gar nicht ein Etwas gegen sie zu haben, doch, da ich ihren Mann gar nicht kenne, so entsteht schon eben dadurch eine Indifferenz, die unwillkürlich ist. Es geht ihr sehr gut, und das freut mich herzlich. Ich lege einige Zeilen an sie bei, die Sie wohl gefälligst in den Briefkasten werfen. Ihre Sendung, liebe Marie, kam auch als Morgengruß schon an.
|5| Die neuen Werke Roberts sind wieder herrlich – ich hoffe wir finden dießmal in Leipzig einige Musestündchen, wo ich Ihnen davon vorspiele. Beinah hätte sich unsere Leipziger Reise wieder zerschlagen, warum? das sage ich Ihnen mündlich! – Was sagen Sie zur abermaligen Direction D …s? begreifen Sie das, und unsere Leipziger Freunde?
Frl. Leser ist augenblicklich auf 8 Tage verreist: sie hat mir aber aufgetragen Sie freundlichst zu grüßen und Ihnen zu sagen, daß, wenn Sie eine Operation vornehmen, Sie ja nachher außerordentlich vorsichtig sein möchten. Eine Dame von hier war kürzlich bei Jüngken und kam gut sehend zurück; da schonte sie sich nicht, saß bei kühler Witterung 2–3 Stunden im Freien, und in Zeit von einer Stunde war sie wieder gänzlich blind. Ich schreibe Ihnen dieß wohlweislich so ausführlich. Ich bin übri¬gens von Herzen froh, wenn Sie die Operation bald unternehmen können, denn gewiß wird es Ihnen dann besser gehen, und Sie werden neu aufle¬ben! an dieser schönen Hoffnung hangen Sie, liebe Freundin, fest – Gott wird Sie schützen.
Sollten Sie Frau Bendemann sehen, bitte, so grüßen Sie sie herzlich – ihren Brief habe ich erhalten. Vielleicht erzählen Sie ihr von meinem überglücklichen Geburtstage.
Die andere Seite soll für Geschäffte bleiben, daher ich Ihnen hier unten Adieu sage. Grüßen Sie alle lieben Getreuen und vor Allen Sich Selbst von mir
Ihre Cl. Sch.
Nochmals 1 000 Dank’ für das süße Bild! Es hängt an meinem Fenster.
|6| Die gewaschenen Sachen sind gut, die gefärbten aber nicht so, aus dem blauen Zeug ist aller Moor. Die Schuhüberzieherin hätte aber wohl die Schuhe umsonst arbeiten können – (die Seide hätte ich gern bezahlen wollen) denn sie war ja Schuld, daß ich die Schuhe nur ein Mal anziehen konnte. Nun aber muß ich Sie bitten mir noch einmal Alles aufzuschrei¬ben, was ich Ihnen schuldig bin – ich habe den Zeddel, worauf Alles stand, verlegt, und kann ihn nun nicht finden. Das Schemisett will ich behalten, und schicke Ihnen das Geld zusammen wenn ich noch die letz¬teren Schulden weiß! Heute erhalten Sie wieder Einiges zur Wäsche, was ich aber gern bald zurück hätte. Den früheren Schuldenzeddel habe ich, nur den Letzten kann ich nicht finden.
Sie erhalten heute: einen Kragen, einen Haubendeckel, eine Blonden¬borte (die sehr gelb ist) mit 2 Stückchen Blonde, eine breitere Spitze, eine schmale Spitze (die weiß, aber schlecht gebügelt ist) und ein paar Aermel zum waschen; ferner 15 St. Bänder zu waschen. Sollte das Eine oder An¬dere nicht gut werden, so senden Sie mir es zurück. Außerdem liegt noch ein Kragen bei, welchen ich auf guten Battist, oder, was noch hübscher ist, auf Brüßler Tüll aufgenäht wünsche. Wollen Sie mir das gütigst besorgen? – Da ich die erste Rechnung gefunden, so lege ich den Betrag von 2 rt 2 sgr in Summa bei, so wie die 2 rt für das Unterschemisett, also 4 rt 2 sgr.
Wie immer Ihre C. Sch.
Es sind 28 sgr zuviel nehmen Sie mir das bei der nächsten Rechnung zu Gute.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Lindeman, Marie von (2605)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 22
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Dresden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Carlos Lozano Fernandez und Renate Brunner / Dohr / Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-86846-032-2
1180-1186

  Standort/Quelle:*) D-Dl, s: Mscr. Dresd. App. 16, Nr. 26
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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