Düsseldorf d. 14 Mai 1854
Meine liebe Marie,
wenige Worte nur heute! fürerst herzlichsten Dank für Ihren Brief, dann die Bitte <f> um Besorgung des Inliegenden, der mir wie Centners-Last auf dem Herzen lag, und nun zu dem, was mich, wenn ich an Sie denke, recht sehr beschäfftigt, Ihre Augen! – Frl. Leser sagt mir, sie habe nie gehört, daß der Star operirt werden dürfe, wenn er nicht ganz reif sey, und Jüngken werde das gewiß auch nicht thuen. |2| Daß Sie Ihre Freundin mitnehmen, wenn Sie nach Berlin reisen, scheint mir ganz unerläßlich, denn 14 Tage hindurch nach der Operation dürfen Sie nicht das Geringste thuen, müssen ruhig im Bett bleiben; müßten jedoch auch darum Jüng¬ken zuvor befragen, denn gewöhnlich wird in den ersten 14 Tagen nicht einmal Jemand irgend nahe Stehendes zugelassen, weil jede, auch die ge¬ringste, Aufregung vermieden werden muß. Ich weiß das Alles sehr genau durch Schadow, dessen Frau erst nach 14 Tagen zu ihm durfte. Meine Mutter würde Sie gewiß aufnehmen, |3| wenn sie das Zimmer, welches sie gewöhnlich vermiethet, leer hat; sie schrieb mir aber vor wenig Tagen, daß sie sich nach einer Abmietherin umsehen wolle, nun weiß ich nicht wie sich das gerade trifft. Ihre Adresse ist: Madam Mariane Bargiel, Link¬straße Nro 43, 3ter Stock. Jedenfalls wenden Sie Sich mit Vertrauen an sie, sie wird thuen, was sie kann – geht es bei ihr nicht, so verschafft sie Ihnen vielleicht bei einer Freundin ein Unterkommen. Aber, liebste Marie, bei¬stehen muß Ihnen Ihr Bruder, denn mit dem Gedanken müssen Sie Sich vertraut machen, daß Sie drei Monate wenigstens |4| keine Stunde geben können, und ich hoffe, Sie sind so vorsichtig, daß Sie alle Vorschrifften gewissenhaft bis aufs Kleinste befolgen. Bedenken Sie, es ist ja dann für Ihr ganzes Leben! Frl. Leser hält nun auch eine Vorkur für nöthig, nach allem, was sie gehört. – Sie schreiben mir doch gleich, wenn Sie Nachricht von Jüngken haben? –
Von meinem theueren, geliebten Manne, habe ich in den letzten 14 Tagen recht leidliche Nachrichten gehabt! seine Besserung schreitet lang¬sam, sehr langsam aber vorwärts. Meine Sehnsucht aber wächst <aber> mit jeder Stunde auf das schmerzlichste! hätte ich nur erst einmal eine Zeile von Ihm selbst, daß ich seine liebe Hand nur einmal wieder sähe!
Ach, es ist gar so bitter dieß Schicksal! –
Leben Sie wohl! Gott schütze Sie
Ihre Clara.
Was Sie irgend die Mutter zu fragen haben, das thuen Sie ja, Sie hat leider mehr Zeit, als gut für sie ist, denn ihre Sorgen sind groß.
Rosalie grüßt Sie herzlichst.
Meine Kinder sind Alle sehr munter.