23.01.2024

Briefe



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ID: 14116
Geschrieben am: Sonntag 15.12.1861
 

Leipzig, den 15. Dezember 1861. Morgens.
Liebster Johannes,
es mag Dir wohl als ein gutes Zeichen gelten, daß mein Erstes heute Morgen ein Gruß an Dich ist. Es ist mit den Variationen/ herrlich gegangen, ich habe sie glücklich gespielt und enthusiastischen Beifall gehabt; ich war schon vom Orchester herunter aus dem Saale und mußte wieder zurück und noch mal mich bedanken. Rudorff und Livia spielte ich sie tags zuvor (sie wollten sie gern öfter hören), und die beiden waren gleich ganz entzückt. Reinecke sprach auch mit mir darüber, er fände sie sehr schön, nur etwas zu lang.
Ich hatte sie im ersten Teil gesetzt, damit das Publikum sie recht frisch noch empfangen könne, und das war gut; . . . . .
Du kannst Dir denken, wie froh ich den Abend war, und eben deshalb muß ich es Dir gleich schreiben, es liegt mir sonst zu schwer auf dem Herzen.
Ich vergaß Dir neulich zu schreiben, daß Joachim Dich so halb und halb mit erwartet hatte und seine Enttäuschung mir doch nicht ganz verbergen konnte – ich nehme es ihm aber gar nicht übel, sondern begriff es vollkommen. Über England sprach er, als sei seine Reise dahin noch fraglich – vielleicht bringst Du ihn noch ganz ab davon.
Er kommt jedenfalls zwischen Weihnachten und Neujahr nach Berlin, so hat er wenigstens versprochen, zum Heiligen Abend aber glaube ich es nicht.
Nun, mein geliebter Freund, Du wirst mir doch nicht untreu werden? Ich glaube es aber nicht, Du weißt ja, wie ich mich auf Dein Kommen freue, und Du kömmst doch auch gern zu mir! –
Ich bleibe also bis zum 20. hier, dann findet mich ein freundlicher Gruß von Dir in Berlin; laß mich also nicht lange harren.
Avé sage doch, daß alles mit dem Instrument in schönster Ordnung war.
So leb denn wohl; am liebsten unterhielt ich mich den ganzen Morgen heute mit Dir in Deinem traulichen Zimmer, so wie in Hamburg immer nach den Konzerten, aber hier ist’s mit der Gemütlichkeit nichts.
So denn Adieu. Von ganzem Herzen Deine
Clara.
Livia grüßt Dich schönstens.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Hamm bei Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
814ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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