23.01.2024

Briefe



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ID: 14122
Geschrieben am: Montag 03.11.1862
 

Düsseldorf, den 3. November 1862.
Ich falle heute gleich mit der Tür ins Haus mit einer Neuigkeit, lieber Johannes! Freilich ist es wahrscheinlich, daß Du schon davon gehört, denn die Leute schnappen von unsereins ja alles gleich auf. Also, ich ziehe im April 1863 nach Baden-Baden, habe mir dort in der Lichtentaler Allee ein kleines Häuschen, so gerade ausreichend für mich, gekauft, um den Sommer dort mit den Kindern zusammen sein zu können.
Ich habe dort der Vorteile viele, Menschen und Natur, und brauche die Menschen doch nur zu sehen, wenn’s mich darnach verlangt, denn mein Häuschen liegt still, hinter der Oos, aber mit der Aussicht auf die große schöne Allee. Dann kann ich gewiß sehr gut bezahlte Stunden geben, denn es leben ja so viele Fremden den ganzen Sommer dort, auch für die Mädchen werden sich Schülerinnen finden; dann, welches Reisen hin und her spart mir das! Zwar werde ich wohl trotzdem einmal jeden Sommer in die Schweiz wandern, aber dann doch nur auf kurze Zeit. – Ich war dort noch von Guebwiller aus 8 Tage, das hast Du wohl von Rieter gehört – wir haben noch in Winterthur, Basel schöne Musik gemacht, und bin ich recht schwer geschieden, jetzt wieder meinem Pflichtleben entgegen. Unter anderem hat mir Kirchner durch sein Orgelspiel, namentlich seine Phantasien, große Genüsse geschaffen, er versteht auch das Registrieren so schön, entlockt der Orgel all ihren Zauber! –
Wie es Dir in Wien gefallen würde, das wußte ich vorher. Du wirst nun wohl Lewinsky, dem ich ja genug von Dir erzählt, aufgesucht, vielleicht schon liebgewonnen haben. Julie Asten wird wohl nun auch schon bei Dir studieren, und Du wirst Dich gern ihrer angenommen haben. Grüße sie; schreiben kann ich ihr jetzt unmöglich, ich bin furchtbar beschäftigt, schon seit 6 Wochen eigentlich so sehr, daß ich es kaum durchmache! Den Rat, den sie wünschte, kannst Du ihr auch geben, ebensogut als ich.
Nun zu den Variationen: daß Du dieselben nicht herausgeben solltest, ist mir nie eingefallen, nur wegen des Themas war ich uneinig, finde es aber so einfach, daß Du nur sagtest: Variationen über ein Thema von R. Sch. Kein Datum, nichts weiter, die Leute brauchen das nicht zu wissen, wohl aber Deine Variationen zu kennen. Wie kannst Du nur denken, daß ich es auf mein Gewissen nehmen würde, der Welt ein solches Werk von Dir vorzuenthalten! – Also voran damit, und die Dedikation an Julie kann mir ja nur recht sein.
Deine Frage, Debrois betreffend, scheinst Du ganz vergessen zu haben, daß ich längst mit ihm auseinander bin, deinet- und Joachims wegen. Ich habe Dir das früher alles erzählt, auch, daß er der Dritte im Bunde sein wollte etc. etc.
Wie sich doch oft Verhältnisse so eigen gestalten – Deinetwegen kam ich mit ihm auseinander, jetzt bist Du mit ihm befreundet! Nun wird er wohl nicht mehr schreiben, daß Du mit der Hirtenflöte am Bache sitzest! . . . .
Vorgestern war ich zum Faust in Elberfeld – leider eine mittelmäßige Aufführung, Stockhausen aber wieder über jede Beschreibung herrlich. Er grüßt Dich schönstens.
Von Joachim hast Du wohl Nachricht gehabt! Du weißt, er hatte jetzt plötzlich gekündigt, wollte in London bis Januar bleiben, der König besteht aber nun auf seinem Recht, und jetzt muß er im Dezember zurück, was natürlich eine sehr unangenehme Situation für ihn ist.
Er schrieb mir, er hoffe, mir bald Dein neues Quintett vorzuspielen, erwarte es jeden Augenblick.
Du hast wohl von Avé gehört, daß ich am 21. November in Hamburg spiele, mit Stockhausen in einem Konzerte, und dann wollen wir noch zwei Soireen geben. Später von da gehe ich nach Leipzig etc. Meine Adresse ist bis zum 15. November Frankfurt a/M., dann in Hamburg. In Frankfurt per Adresse: Herrn Musikalienhändler Theodor Henkel.
Ich hoffe, ich höre gleich nach dem Hellmersberger Quartett von Dir, wie es ausgefallen?
Ich werde am 11. an Dich denken und grüße Dich wie immer herzlich
Deine
Clara.
Grüße doch auch die Asten.
Unter 5 Gulden gib keine Stunde – das sind ja doch nur 2 Tlr. 15 Sgr.
Hast Du schon welche?

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
848-851

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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