23.01.2024

Briefe



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ID: 14197
Geschrieben am: Freitag 25.07.1879
 

Gastein d. 25 July 1879.
Liebe Frau Fiedler
leider, ach leider konnte ich meinen Plan, Sie in Schlangenbad zu besuchen, nicht ausführen, meine Schuld war es aber nicht; ich überlegte noch hin und her mit Eugenie, ob wir es nicht vor unserer Abreise noch ermöglichen könnten, aber, dann hätten wir Marie |2| alleine lassen müssen, zudem fand ich eine Masse Dinge zu erledigen, als ich zurückkehrte, unser Logie war hier v. 21ten an bestellt, und wir kamen ohnehin schon einige Tage später hier an.
Der erste Gruß hier war Ihr lieber Brief, der mir eine doppelte Ueberraschung bereitete. Ich bin ganz beschämt, liebe, gute Frau Fiedler, durch Ihr liebevolles Geschenk, und beklage nur, daß ich es nun |3| noch wochenlang nicht sehen kann! Haben Sie den wärmsten Dank für das doppelt schöne Andenken! nur kümmert mich der Gedanke, daß Sie sich gewiß oft zu sehr bei der Arbeit ermüdet haben, – wenn ich mir denke, Sie wären all die Stunden, die Sie mir geopfert, spazieren gegangen, wie würde Ihnen dies genützt haben; jedoch, leider muß ich mir zur Beruhigung sagen, Sie wären doch nicht spazieren gegangen!!! Sie Arme, |4| wie bedaure ich, daß Sie so viel leidend sind! möchte doch Schlangenbad Ihnen recht gut thuen, in recht langer Nachwirkung!
Sie denken nun doch wirklich nach München zu gehen? es soll aber, wie mir dort Ansässige sagten, kein gesellig angenehmer Verkehr sein, weil die Männer Abends in’s Bierhaus gehen und die Damen Kaffee’s geben, wovor Einen der Himmel bewahre! Ich denke mir aber, |5| Sie werden sich schon einen angenehmen Kreis bilden, haben ja auch schon alte Beziehungen. Sie auf unserer Rückreise in München zu treffen, würde uns sehr freuen, aber, kommen Sie nur nicht zu spät dahin, denn wir wollen schon zwischen 8–10 Sptbr. wieder zu Haus sein. Ich höre wohl bald durch Levi, wenn Sie dahin kommen? Eugenie wird dann freilich nicht mit uns |6| sein, denn von der Prein aus geht sie nach Haprowan zum Gompertz. Daß sie Sie in Schlangenb. nicht ein paar ruhige Wochen sehen konnte, hat ihr sehr leid gethan, aber, es ging eben durchaus nicht, wer konnte solch einen Zwischenfall (mit Marie) ahnen, als wir unsere Pläne zum Frühjahr machten. Die Reise hierher hat Marie unerwartet gut überstanden, es traf sich immer so glücklich, daß wir |7| Platz genug für sie zum Liegen fanden; sie geht aber nur Schrittweise hofft jedoch viel von den Bädern. Sie hat diese ganze Zeit (die Geduldsprobe wurde wirklich zur Prüfung) engelhaft getragen, mich und Eugenie noch immer ermuthigt! ich habe sie im Stillen immer bewundert.
Wie betrübt ich war Ihren lieben Besuch versäumt zu haben, brauche ich Ihnen wohl kaum zu sagen, meine Gedanken |8| waren in den Tagen besonders viel zu Haus – ich fürchtete ┌aber┐ immer, Sie würden doch viel gewohnten Comfort vermissen! nun, daß Sie von Herzen willkommen waren, das haben Sie, hoffe ich, empfunden.
Gruß Ihrem lieben Manne und dankbarsten Händedruck, liebe Frau Fiedler, von Ihrer
herzlich ergeb
Clara Schumann.
Marie grüßt schönstens.
Es wäre mir lieb, nur durch Correspondenzcarte zu erfahren, ob Ihnen dies noch zugeleitet.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Wildbad Gastein
  Empfänger: Fiedler, Mary (450)
  Empfangsort: Schlangenbad
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
911ff.

  Standort/Quelle:*) D-F, s: Autographensammlung der Musik- und Theaterabteilung, Nr. A15
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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