Frankf. a/M d. 29 Mai 85.
Liebe Frau Fiedler,
wie lange schon lag es mir ordentlich am Herzen Ihren lieben Brief von (ich will den [sic] Datum gar nicht nennen) – – zu beantworten. Er freute mich damals so sehr, u. am liebsten hätte ich gleich geantwortet „wir kommen“! aber ach, da ging es an’s Ueberlegen, die Für und Widers, und schließlich fanden sich der Schattenseiten, gerade für mich, doch zu viele. Das Reisen in ein fremdes Land bringt für mich gar so viel Unbequemes mit sich, dazu bin ich wegen meines |2| Rheumatismus für climatische Einflüsse höchst empfindlich, ’mal ein etwas kälteres Zimmer, als ich es gewöhnt bin, und ich habe gleich irgend eine Attaque. Das ist dann für die Kinder auch schlimm, die dann in fortwährender Sorge um mich leben, und deren Genuß dadurch geschmälert wird. Ich könnte Ihnen noch mehr anführen, aber das ist zu langweilig anzuhören. So mußte ich denn einen lang gehegten Wunsch aufgeben, und schlage ihn mir möglichst aus dem Sinne. Sie in Florenz zu sehen, Hildebrand näher kennen zu |3| lernen, wie hätte mich das gefreut! –
Ihren lieben Vater habe ich in Berlin zu meiner herzlichen Freude gesehen, und doch recht leidlich wohl gefunden. Ich hatte eine recht schöne Zeit in Berlin, nur, für alle meine Beziehungen war mir die Zeit kurz zugemessen. Berlin machte einen erfreulichen Schluß meines Winters – ich hätte nicht daran geglaubt, hätte mir im Winter Jemand gesagt, ich würde so bald wieder spielen können. Leider habe ich mir aber vor ein paar Tagen durch einen Fall die Hand verstaucht, so bin ich jetzt wieder ’mal auf einen Arm, zum Glück den Rechten, angewiesen. Ihre lieben |4| Verwandten in Leipzig lernte ich diesmal näher kennen, das war mir auch eine Freude.
Wie mag es Ihnen, liebe Frau Fiedler, jetzt gehen? Leiden Sie nicht von der Hitze in Florenz? gewiß haben Sie sich dort recht erholt! Sie Arme, wie leid ist es mir, daß Sie im Winter wieder so viel gelitten haben.
Gern wüßte ich einmal wieder von Ihnen etwas, ob Sie bald nach Leipzig gehen, wie es Ihnen Beiden geht, und was Sie im Spätsommer vorhaben? sagen Sie mir bald ’mal von Allem, und seyen Sie überzeugt, daß ich oft und in treuer Gesinnung Ihrer Beider gedenke.
Eugenie, die recht viel leidend war, u. noch immer ist, grüßt herzlichst, auch Marie, und ich bin wie immer Ihre warm ergebene
Clara Schumann.
Bitte grüßen Sie den verehrten Hildebrand, mit Schmerz denke ich, was hätte sein können bei günstigeren Umständen.