23.01.2024

Briefe



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ID: 14254
Geschrieben am: Montag 11.10.1886
 

Düsseldorf 11/10. 86.
Liebste Frau Volkland!
Was denken Sie wohl von mir, daß ich so liebe Geburtstagsbriefe, wie der Ihrige u. der Ihres lieben Mannes waren, noch nicht beantwortet habe, obgleich ich mich so herzlich darüber gefreuet, – aber zwischen meinem Geburtstag u. heute liegt eine schwere Zeit der Sorge, die eine solche Entmuthigung in mir erzeugte, daß ich mich zu keiner Correspondenz ent¬schließen konnte. Ihre guten Wünsche trafen mich in München, wo ich mir mit Hildebrand Rendevous gegeben hatte, um meine Büste in Marmor zu vollenden.
Kaum einige Tage dort, mit |2| Eugenie allein, während Marie5 nach Haus gegangen war, wurde Eugenie krank, u. zwar derart, daß wir das Schlimmste fürchteten, was Gott sei Dank, aber nicht eintraf. Es blieb bei einem Lungencatarrh. Ich benutzte den ersten fieberfreien Tag mit ihr nach Frankfurt zurück zu gehen, und nun lag sie noch bis jetzt, – erst seit 2 Tagen steht sie wieder auf. Der Schreck und die Angst hatten aber förmlich lähmend auf mich gewirkt, und ich bin jetzt hierher gereist, mei¬ne alten Freunde zu sehen, was mich wieder auffrischen wird. Selbst bin ich auch mit vielen |3| kleinen Leiden geplagt, die nicht schlimm sind, aber doch auf die Gemüthsstimmung Einfluß haben. Morgen gehe ich nach Frankfurt zurück, und hoffe meine Thätigkeit in alter Weise wieder aufzunehmen, wie ich sie auch schon begonnen hatte.
Die Büste ist, wie Alle sagen, herrlich geworden, und abgesehen von der großen Ähnlichkeit findet Jeder, sie sei ein Kunstwerk an u. für sich. Sie können denken, wie mich u meine Kinder das freuet, und zudem ist mir Hildebrandt als Mensch eine große Bereicherung in meinem alten Leben. Solche Künstler, so, nur ihrer Kunst lebend, so einfach nur nach dem Höchsten strebend, giebt es Wenige. Ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen?
|4| Nun habe ich drei Seiten von mir gesprochen, u. Ihnen noch nicht einmal gesagt, wie sehr mich Ihre guten Nachrichten erfreuet haben. Sie können denken, wie oft wir mit VonderMuhlls von Ihnen gesprochen haben, wie liebe gute Menschen sind diese, u. wie wohlthuend empfand ich stets ihre Heiterkeit, ihr ganzes harmonisches Wesen.
Ob der Winter oder vielmehr das Frühjahr Sie uns nicht einmal zuführen wird? voriges Jahr waren wir ja leider in England, u. konnten Sie nicht sehn, – dies wird dieses Jahr wohl kaum der Fall sein.
So seien Sie denn Beide herzlichst gegrüßt u. noch bedankt u. bleiben Sie gut
Ihrer
alten getreuen
Clara Schumann.


  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Volkland, Henriette (1640)
  Empfangsort: Basel
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 10
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Theodor Kirchner, Alfred Volkland und anderen Korrespondenten in der Schweiz / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-021-6
527ff.

  Standort/Quelle:*) D-F, s: Autogr. K. Schumann, Nr. 167
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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