23.01.2024

Briefe



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ID: 14304
Geschrieben am: Sonntag 04.11.1888
 

Frankf. d. 4 Nov. 88.
Lieber Johannes
Dein gestriger Brief mahnt mich stark an meine Schuld! verzeihe wenn ich Dir erst heute für den vorletzten Brief danke. Du weißst es ja, was Alles auf mir liegt, die Zeit reicht eben nicht mehr aus! – Vor allem laß Dir nun sagen, wie ich mich auf die Sonate freue, und bitte ich Dich, die Herzogenberg zu veranlassen, daß sie sie mir gleich schickt! –
|2| Es wäre reizend, könnte ich sie mit Joachim in Berlin spielen! wenn sie nur nicht zu anstrengend ist, daß ich sie noch lernen kann?
Hier ist nun Alles vorüber, und so froh ich bin, daß es vorüber, so möchte ich nichts von dem missen, was ich in dieser Zeit erfahren habe. –
Leider drücken wieder neue schwere Sorgen auf mir, u. zwar um Eugenie, die in Folge von Franzensbad recht elend ist – es war |3| eben zu naß u. kalt, u. sie hätte die Cur gar nicht gebrauchen sollen. Dann auch giebt es um Ferd. immer neue Sorgen. Jetzt wird er auf Anrathen Oertels massirt, schreibt nun aber, daß er auf eine unbeschreibliche Art maltraitirt werde, und seitdem ganz und gar nicht mehr gehen könne. Da habe ich nun eine Bitte an Dich; der Arzt nämlich, Dr. Schreiber, ist in Oestreich sehr bekannt, hat bei Aussee im Sommer eine Anstalt, und könntest Du vielleicht durch Billroth |4| erfahren, ob er ihn als zuverlässig kennt, oder ob er ein Charlatan? es versteht sich, daß ich im ungünstigen Falle discret bin – mir liegt Alles daran, offen zu sehen – den Kranken selbst kann man nicht immer glauben.
Neulich hat mir Antonie Speyer alle Deine neuen Lieder vorgesungen, von denen Einige mich ganz entzückt haben. Z. B. Nro 1, 2, u 3 in Op. 105. Dann in Op. 106 „meine Lieder[“], ferner Maienkätzchen – Manche muß ich noch öfter hören. Sehr interressant finde ich „auf dem Kirchhof“ |5| aber, es ist mir zu furchtbar traurig! – Heute hören wir wieder bei Stockh (er giebt ein Liederconcert) die Zigeunerlieder, worauf ich mich sehr freue.
Willst Du wohl so gut sein Inliegendes an Eppstein zu besorgen – ich weiß seine Adresse nicht.
Beiliegend der Brief dessen Bezug zu ihr, der Fillu, dieser nicht klar wurde – sie sagte, sie habe von Dir keinen Brief zu erwarten gehabt, und wisse nicht was Du meinst.
|6| Ich muß nun schließen und bitte Dich, lieber Johannes, mache daß ich bald die Sonate bekomme! –
Von Herzen grüßt Dich Deine
alte
Clara.

[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV.
4, Karlsgasse.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1855ff.

  Standort/Quelle:*) D-Mbs, s: Fasc. germ. 83; Umschlag: A-Wst: 55746,63b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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