23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 14321
Geschrieben am: Montag 13.08.1888
 

Obersalzberg 13/8 88.
Liebste Frau Volkland!
Ich muß doch meinem gestrigen Briefe an Lisl heute schon einen herzlichen Gruß an Sie nachsenden. Ihr lieber Brief hat mich so sehr erfreut – wie lange hatte ich Ihre Handschrift nicht gesehen, und schon gehofft, durch Lisl von Ihnen zu erfahren. Und nun war es umgekehrt: ich hörte durch Sie von Lisl und dem armen Kranken, wonach ich mich auch schon lange gesehnt hatte. Wie nett muß Ihr Zusammenleben jetzt sein und wie heilsam für Herzogenberg, der doch gewiß der Erheiterung bedarf, wenngleich er wunderbar muthig erscheint. Ich habe Lisl sehr gebeten, |2| daß Sie mir jetzt einmal wieder ausführlich über sich und ihren Mann schreibt[.] Sie machte neulich gegen mich die Äußerung, daß sie jetzt zu ihrem Kummer sähe, daß die eigentliche Krankheit doch trotz der Ope-ration nicht gehoben sei, und dies bekümmert mich sehr. Worin besteht seine Krankheit? Ist sein linker Arm, der ja ganz geschwunden war, wie¬der besser? Ich frage und bitte schon wieder um neue Mitteilungen, wäh¬rend ich mich doch auf den Dank für die letzten beschränken sollte. Sie glauben mir gewiß, wenn ich Ihnen sage, daß ich der theuren, so schwer geprüften Freunde immer und immer gedenke, und daher immer von ihnen wissen möchte.
Ich hatte Sie längst schon nicht mehr in Basel vermuthet, hörte dann aber durch |3| meine Schülerin Alice Dessauer, die bei Vonder Muhll’s war, um sich dort von angestrengten Studien zu erholen, daß Sie doch noch da seien. Darauf schickte ich ihr sofort einige Zeilen an Ihren lieben Mann, worin ich ihn bat, sie mal anzuhören; unterdeß waren Sie aber wirklich fort, was mir recht leid thut.
Zu meiner Freude hörte ich immer Gutes von Ihnen und auch von Ihrem Manne, daß er sich künstlerisch mehr u. mehr befriedigt fühle. Welch ein Glück ist das!
Ich erhielt gestern von meinem Bruder Bargiel Nachricht, daß auch er nach Wildbad geht. Er hat diesen Winter angestrengt für Herzogenberg gearbeitet u bedarf sehr der Erholung! Ich bitte Sie, liebe Freundin – das ganze vierblättrige Kleeblatt – seien Sie recht freundlich zu ihm, haben Sie Nachsicht mit seinen Eigentümlichkeiten; er fühlt sich so sehr leicht zu-|4|rückgesetzt und gekränkt. Sie kennen ihn ja Alle und wissen, daß er ein durch und durch nobler Charakter und ein feinsinniger Musiker ist, dabei ein durch u durch gebildeter Mensch.
Von uns haben Sie nun durch Lisl gehört. Wir bleiben jetzt hier bis September, gehen dann auf einige Tage nach München und machen in Baden-Baden den Beschluß unsrer Ferien.
Nehmen Sie, liebe gute Frau Volkland, mit dem theueren Manne herzlichste Grüße (auch Marie fügt die ihrigen bei) von
Ihrer
getreuen
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Vordereck (Obersalzberg)
  Empfänger: Volkland, Henriette (1640)
  Empfangsort: Wildbad
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 10
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Theodor Kirchner, Alfred Volkland und anderen Korrespondenten in der Schweiz / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-021-6
555f.

  Standort/Quelle:*) D-F, s: Autogr. K. Schumann, Nr. 181
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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