Frankfurt a/M d. 22 Jan. 96
Lieber Volkland,
so lange mußte ich den lieben Neujahrsgruß von Ihnen und Ihrer lieben Frau unbeantwortet lassen. Aber, wir haben rechte schwere Zeit hinter uns, und, leider, auch noch vor uns. Erst lag Marie 10 Wochen an Ischias, jetzt ist sie |2| Gott sey Dank, wieder halbe Tage auf, und nun hat meinen Schwiegersohn vor 8 Tagen ein Schlaganfall getroffen, (auf der Jagd, 8 Stunden von hier entfernt) die Aerzte nennen ihn leicht, es ist aber doch ernst genug. Elise reiste vor 8 Tagen sofort zu ihm, und liegt er mitten im Walde, in einem kleinen Jägerhaus, 1½ Stunde entfernt von der nächsten Stadt. Es geht ihm täglich etwas besser, aber er kann noch nicht |3| wieder sprechen, was ihm seine Lage ganz unerträglich macht. Die Aerzte sagen, die Sprache komme immer zuletzt erst wieder, wenn der Kranke schon fast genesen ist. Was diese Prüfung alles noch mit sich bringt, ist unglaublich. Wir sind, wie Sie denken können ganz hingenommen davon, und nun ist die Frage, wie ihn hierher bringen ohne Gefahr! – Ich ertrage Gemüthsbewegungen immer schwerer, und das ist recht traurig, denn dadurch mache ich der |4| armen Marie auch noch Sorge. Ich habe in der ganzen Zeit, seit November, nichts gehört noch gesehen als die Freunde, die mich besuchten, auch konnte ich nur sehr wenig spielen, da ich selbst sehr leidend war, und tageweise auch noch bin. Der Winter ist doch endlos! für alte Leute so schlecht.
Sie musiciren so flott und frisch, das freut mich herzlich, und ist mir ein Zeichen Ihres Wohlbefindens. Der Himmel schütze Sie und die liebe Frau. Dank nochmals für Ihre lieben Zeilen. Bleiben Sie gut Ihrer Clara Schumann
Marie grüßt sehr, Eug. ist in London.
Könnte ich doch den Faust noch ’mal hören!
An die herrlichen Cantaten mache ich mich sobald ich wieder wohler bin – Dank daß Sie sie mir nannten.
[Umschlag]
Herrn
Dr Alfred Volkland
Basel.
57 Seevogelstr.
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