23.01.2024

Briefe



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ID: 14381
Geschrieben am: Sonntag 23.05.1852
 

Düsseldorf d. 23 Mai 52
Liebe Marie,
ich habe Ihnen so Manches zu schreiben, und weiß doch nicht was besser wäre, schreiben oder schweigen! es betrifft immer wieder Ihren Plan! wä¬ren Sie jetzt hier, so könnte ich Ihnen gleich vier Schülerinnen sicher zu¬weisen, und hätten wohl auch noch Aussichten, da Herr Reimers Morgen fortgeht nach Bonn und dessen Schüler nun ohne Lehrer sind. Frl. Leser meint überhaupt, sie glaube, es werde sich hier gewiß machen, denn es ist keine einzige Klavierlehrerin hier. Zwei Damen haben mich nun fragen lassen, ob Sie kämen oder nicht, denn in letzterem Falle wollten sie sich nach einem anderen Lehrer umsehen; ich wollte nicht gern entschieden Nein sagen, bevor ich nicht noch einmal Brief von Ihnen habe. Ihre Idee mit den 14 Tagen im Sommer ist keine glückliche, denn was kann sich in 14 Tagen machen, mitten im Sommer? |2| entweder sind da die Leu¬te verreist, oder haben ihren Lehrer; Lehrer werden gewöhnlich nur im Frühjahr und im Herbst genommen. Wollen Sie nun wirklich Ihre Stellung in Dresden aufgeben, dann thuen Sie es jetzt, wollen Sie es aber nicht, dann sagen Sie „es geht nicht“ – geben dann aber den Sommerplan auf, denn da ist an eine Erfüllung Ihrer Wünsche nicht zu denken, in so kur¬zer Zeit, und selbst nicht, blieben Sie 4 Wochen. Dächte ich, wir blieben lange noch hier, dann sagte ich, kommen Sie auf meine Verantwortung, denn Schüler bekommen Sie, doch so, da es mit uns nur immer von einem halben Jahr auf das Andere bestimmt ist, kann ich Sie nicht mit gutem Gewissen dazu bestimmen, sondern Ihnen nur sagen, wie es steht, was Sie zu erwarten hätten, kämen Sie. Freilich etwas Geld müßten Sie haben, |3| falls Sie nicht gleich hätten, was Sie brauchen. Liebe Marie, mir geht die Sache im Kopf herum, denn wollen Sie einmal kommen, so wäre es jetzt vielleicht ein günstiger Zeitpunct. Doch, nochmals, lassen Sie Sich nicht bestimmen durch mich, denn ginge dann nicht Alles nach Wunsch, so müßte ich mir <dabei> Vorwürfe machen. Aber bitte, schreiben Sie mir gleich, entweder, oder! – Sollten Sie Sich für entscheiden, so schreiben Sie mir was Sie gewohnt waren bis jetzt für Wohnung und Kost zu zahlen, da¬mit ich es Ihnen womöglich eben so einrichte. Ein Instrument würde ich Ihnen wohl verschaffen können, freilich aber gegen monatliche Miethe, und dann kein sehr schönes! – Noch Eines: könnten Sie nicht jetzt von der Falkenstein auf 4 Wochen Ferien bekommen? dann könnten Sie es ja jetzt so machen, wie Sie es im Sommer wollten? |4| Sie könnten ja sagen Sie wollten Ihren Bruder besuchen? Dann behielten Sie Sich in Dresden Alles vor, und fände sich’s hier in 4 Wochen nicht, dann gingen Sie zurück! überlegen Sie das doch ernstlich.
Da ich nun einmal heute schreibe so lege ich noch Einiges zum Wa¬schen für die Thiele bei; sollte das schottische Zeug nicht gut werden (weil es halt Wolle ist) so schicken Sie es mir wieder zurück, es hat dann aber Zeit, bis ich das Gewaschene erhalte. Auch ein Briefchen an Gottschalk liegt bei, aber lassen Sie es am liebsten Ihm durch Jemand Zuverlässiges einhändigen, denn ich glaube, die ganze Geschichte ist ein Streich von ihr, und vielleicht weiß Er gar nichts davon. Jedenfalls gehen Sie Selbst nicht zu ihm, dazu sind Sie zu gut; um nach solchem Benehmen noch einen Schritt zu thuen. Könnte Ihre Freundin es nicht vielleicht besorgen? Die¬se kennt er nicht, und hat sie ja auch nicht beleidigt.
Am 20ten hatten wir unser letztes Concert, eine Soiree. Programm war Folgendes: D moll Trio von Mendelssohn, Lieder von Rietz und Beet¬hoven, Hommage à Haendel für 2 Klaviere, spanisches Liederspiel von meinem Manne, und zum Schluß große Polonaise in As dur von Chopin. Furchtbar voll und großer Enthusiasmus.
Herzlichsten Gruß noch für heute! Schreiben Sie bald
Ihrer Ihnen
wahrhaft zugethanen
Clara Sch.
Ich habe den Brief an Gottschalk offen gelassen, lesen Sie ihn zu erst, und machen ihn dann zu.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Lindeman, Marie von (2605)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 22
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Dresden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Carlos Lozano Fernandez und Renate Brunner / Dohr / Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-86846-032-2
1153-1155

  Standort/Quelle:*) D-Dl, s: Mscr. Dresd. App. 16, Nr. 18
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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